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Privatheit in Corona-Zeiten

Von Barbara Wiesner

Gastkommentare
Barbara Wiesner war Professorin für Informatik an der Technischen Hochschule Brandenburg. Zu ihren Spezialgebieten gehörten Sicherheit, Kryptographie und Privacy. Inzwischen ist sie im Ruhestand und lebt in Wien.
© privat

Bei der Corona-App geht es neben dem Nutzen auch um die Datensicherheit.


Mit Beginn der Corona-Pandemie erleben wir etwas, was bis dato völlig unvorstellbar war. Wir wurden in Isolation geschickt, mussten zu Hause bleiben, ob wir wollten oder nicht. Auf einmal hat der Schutz der Gesundheit oberste Priorität, alles andere ist zweitrangig. Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung; denn sie schränkt genau das ein, was unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse sind - die der Erwachsenen genauso wie die der Kinder. Eine solche Situation ist nur akzeptabel und erträglich, wenn die Gründe für die Einschränkungen transparent und nachvollziehbar sind, wenn Kritik und Widerspruch nicht nur erlaubt, sondern eingefordert und angehört werden - wechselseitig.

Dieser Ausspruch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 23. April 2020 gilt ganz besonders für die Corona-App. Hat man diese installiert, erhält man eine Nachricht, wenn eine infizierte Person mindestens 15 Minuten maximal zwei Meter Abstand hatte. Dazu muss diese allerdings auch die App installiert haben. Dank moderner Verschlüsselungsmethoden bleiben Sender und Empfänger dabei anonym.

Nur wenn die Menschen verstanden haben, warum diese App so wichtig ist, und wenn sie überzeugt sind, dass sie ihr vertrauen können, werden sie sie auch einsetzen.

In Österreich haben die Organisationen epicenter.works, noyb (von Max Schrems) und SBA Research angeboten, den Quellcode der App zu analysieren. Das Ergebnis ist ein langer Bericht, der Schwachstellen aufzeigt und Verbesserungsvorschläge macht. Diese haben die Entwickler der App bereitwillig aufgegriffen. Teils wurden sie sofort umgesetzt, teils soll dies später erfolgen.

Eine solche Zusammenarbeit ist nicht unbedingt selbstverständlich. So baten in Deutschland mehrere Organisationen gemeinsam mit rund 300 internationalen Wissenschaftern die Regierung in einem offenen Brief, den Argumenten und Vorbehalten von Experten mehr Gehör zu schenken. Hauptkritikpunkt war der zentrale Ansatz. Eine zentrale Speicherung ist deshalb so problematisch, weil die Sicherheit der hochsensiblen Daten nicht wirklich gewährleistet werden kann. Auch ist das Risiko einer De-Anonymisierung deutlich höher als bei einer dezentralen Lösung. Zudem besteht die Gefahr, dass die Daten auch für andere Zwecke verwendet werden. Die Privatheit der Nutzer ist so nicht ausreichend sichergestellt.

Nach den anfänglichen Querelen wurde auch für Deutschland eine gute Lösung gefunden. Wie in Österreich erfolgt die Datenspeicherung inzwischen dezentral auf dem Handy des jeweiligen Nutzers. In Großbritannien oder Frankreich hingegen bestehen die Regierungen trotz Protesten von Datenschützern und IT-Experten auf einem zentralen Ansatz.

Die EU-Kommission hat bereits im April 2020 ein Konzept vorgelegt, das für eine einheitliche Grundlage der Corona-Apps sorgen soll. Dazu gehört auch eine dezentrale Datenspeicherung. Nun will sie eine Warnplattform in Auftrag geben, die Corona-Apps verschiedener Staaten vernetzt. Die Apps sollen miteinander kommunizieren, sodass die Warnungen auch über Grenzen hinweg oder im Ausland funktionieren, was bisher leider nicht der Fall ist.