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AUA-Boni: Populismus versus Rechtsstaat

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Die Corona-Krise kann an der Rechtsverbindlichkeit bestehender Verträge nichts ändern.


Leider bleibt die konkrete Boni-Regelung für AUA-Führungskräfte einschließlich Vorstand unbekannt. Gehen wir davon aus, dass die AUA-Vereinbarung dem üblichen Schema solcher in nahezu allen größeren Unternehmungen angewandten Regelungen entspricht. Demnach erhalten Führungskräfte Dienstverträge, die vorsehen, dass ein Teil ihrer Entlohnung variabel ist, gebunden an betriebswirtschaftliche Kennzahlen, wie Gewinn (etwa Ebit), Kapitalverzinsung, Aktienkurs, den erfolgreichen Abschluss von Großinvestitionsprojekten und ähnliches. In der Regel werden solche Boni nicht im laufenden Geschäftsjahr ausbezahlt, sondern später, wenn die Kriterien zahlenmäßig vorliegen (Bilanzpositionen) oder kurzfristige Manipulationen von Aktienkursen verhindert werden sollen.

Wie auch immer, diese Boni von hohen Führungskräften sind im Dienstvertrag, meist abgeschlossen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, rechtskräftig fixiert. Erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile können im Prinzip mit jedem Dienstnehmer vereinbart werden. In diesem Sinne kamen die vertraglich vereinbarten Boni aufgrund der Ergebnisse des Jahres 2019 im Folgejahr, also heuer, bei der AUA zur Auszahlung. Nochmals: annahmegemäß auf Basis bestehender Verträge und nicht als (freiwillige) Ausschüttung des Unternehmens. Heuer, das heißt im Corona-Jahr, in dem die AUA-Mutter-gesellschaft Lufthansa und ihre Tochter von den deutschen und österreichischen Steuerzahlern gerettet werden mussten. Diese Ereignisse können - in einem Rechtsstaat - an der Rechtsverbindlichkeit bestehender Verträge nichts ändern.

Dass die politische Opposition sich in dieses Thema verbeißt und am liebsten Boni überhaupt verbieten möchte, war erwartbar. Weniger, dass sich Spitzenvertreter der großen Regierungspartei mit ihren Aussagen vom Rechtsstaat verabschiedet haben: "Staatshilfen in Anspruch zu nehmen, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu haben und als Vorstand gleichzeitig Boni auszuzahlen, ist völlig inakzeptabel", heißt es da. Wo ist festgeschrieben, dass die Einhaltung (annahmegemäß) rechtsverbindlicher Verträge völlig inakzeptabel ist? Oder: "Es mögen zwar rechtliche Bedingungen dafür da sein, aber nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch moralisch in Ordnung." Herrschaften, hier sind (annahmegemäß) nicht nur rechtliche Bedingungen gegeben, sondern gerichtsfeste Verträge! Und die Moral im Zusammenhang mit Dienstverträgen im politischen Einflussbereich ins Spiel zu bringen, ist erstens rechtlich irrelevant und zweitens populistisch. Denn die dienstvertraglich vereinbarten und durch Boni zu entlohnenden Leistungen wurden anscheinend 2019 erbracht.

Von einem Spitzenpolitiker erwarte ich mir zu allererst ein Bekenntnis zum Rechtsstaat und - diesem immanent - zum Schutz privatrechtlicher Verträge. Und dann vielleicht noch eine kleine Portion Selbstkritik, dass es nicht um Einzelfälle gehe, sondern um die grundsätzliche und standort- und verteilungspolitisch wichtige Frage von Boni in Kapitalgesellschaften. Und dass diese in vielen Staaten, nicht nur in Österreich, leider von der Politik links (oder rechts) liegen gelassen wird.