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Von der Solidarität zur Spaltung

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".
© Ralph Manfreda

Vor 40 Jahren wurden in Polen mit der Solidarnosc die ersten freien Gewerkschaften im sowjetischen Block gegründet.


Eigentlich hat der Solidarnosc-Gründer, Friedensnobelpreisträger und erste frei gewählte Präsident des modernen Polens, Lech Walesa, seinen Erfolg einigen mutigen Frauen zu verdanken. Denn am 15. August 1980 hatte der arbeitslose Elektriker und Streikführer nach Zusicherung einer Lohnerhöhung und eines Denkmals für die 1970 bei einem Aufstand getöteten Werftarbeiter bereits das Ende des Streiks in der Danziger Lenin-Werft verkündet.

Da bestürmten ihn mehrere Frauen, darunter die zuvor gefeuerte Kranführerin Anna Walentynowicz und Abgesandte von Streikkomitees anderer Betriebe, nicht aufzugeben und aus Solidarität nunmehr landesweite Forderungen durchzusetzen. Der Streik ging wieder.

Erster Solidarnosc-Kongress im September 1981 in Danzig.
© privat

Dann, am 31. August 1980, also vor genau 40 Jahren, wurde das Abkommen unterzeichnet: Die Werftarbeiter hatten dem kommunistischen Regime in Polen eine Reihe von Zugeständnissen abgerungen, allen voran die Zulassung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc - ein Novum im kommunistischen Block.

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Die 21 Forderungen "Postulaty" - darunter das Recht auf Streik, freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit, oder die Wiedereinstellung von gefeuerten Arbeitern und Studenten, reduzierten das Machtmonopol der polnischen KP nachhaltig. Verantwortlich dafür war eine Koalition der Arbeiter mit intellektuellen Beratern, darunter viele aus dem katholischen Lager.

Die Grundlage für das neue Selbstbewusstsein hatte bereits 1979 der Besuch des polnischen Papstes Johannes Paul II in seiner Heimat geschaffen. "Habt keine Angst!", lautete eine seiner Parolen.

Im September 1981 besuchte ich den ersten Kongress der Solidarnosc in Danzig, da zählte die Gewerkschaft schon fast zehn Millionen Mitglieder. Es gab hitzige Debatten über ein Ende der führenden Rolle der KP im Land.

Ein von Otmar Lahodynsky aus Polen geschmuggeltes Foto schaffte es auf das "Time"-Cover. Es zeigt polnische Protestanten vor der Sperre der Zomo-Polizei vor dem Solidarnosc-Hauptquartier in Warschau am 13. Dezember 1981.
© Archiv

Die nervöse Kreml-Führung drängte zum Handeln. Polens Premierminister General Wojciech Jaruzelski machte Schluss mit den Hoffnungen, dass die Solidarnosc ein besseres und freieres Leben im kommunistischen Lager ermöglichen würde. Der General mit den dunklen Sonnenbrillen rief am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht in Polen aus. Verhaftungen der gesamten Solidarnosc-Führung folgten - und mehrere Jahre des politischen Stillstands und wirtschaftlichen Niedergangs. Im Februar 1989 startete das ratlose Regime Gespräche am "Runden Tisch" mit der Solidarnosc-Führung. Es kam in der Folge zu einer friedlichen Machtteilung und freien Wahlen.

Der EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 sollte das Land modernisieren und ihm zum größten Wirtschaftswachstum in der Union verhelfen. Doch die autoritäre Regierung der PiS-Partei spaltete Polen nachhaltig. Walesa und die Solidarnosc gelten für deren Anhänger nur noch als historische Episode. Walesa beklagt heute die Spaltung und den Hass im Land. "Die Welt braucht heute eine gemeinsame Idee für die gesamte Menschheit", sagt er. Für ihn könnte diese einigende Bewegung abermals die Solidarität sein.