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Alternativlosigkeit ist undemokratisch

Von Gottfried Kneifel

Gastkommentare
Gottfried Kneifel ist Geschäftsführer der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich.
© ÖVP/Katharina Schiffl

Unsere Demokratie braucht eine "Frischzellenkur".


"Wer glaubt, die Demokratie sei ein garantierter Selbstläufer, irrt", sagte Oberösterreichs Landtagspräsident Wolfgang Stanek unter Verweis auf eine repräsentative Spectra-Umfrage, laut der 8 Prozent "bedingungslos" und 21 Prozent "teilweise" dafür wären, dass "es im Staat nur eine Person gäbe, die anschafft und Entscheidungen trifft, so wie in Unternehmen, bei Feuerwehr oder Polizei"; für 29 Prozent wäre dies mehr oder weniger "eine Möglichkeit". Interessant ist, dass die Zustimmung innerhalb von fünf Jahren zugenommen hat. Wenn in einem Land mit einer wechsel- und teils leidvollen Geschichte wie Österreich fast ein Drittel der Bevölkerung eine Diktatur für eine durchaus praktikable Staatsform hält, müssten bei allen Demokraten die Alarmglocken läuten. Und es wirft kein gutes Licht auf alle, die Demokratie als staatliches Ordnungsprinzip vermitteln und pflegen sollten. Soll das Gedenken an 100 Jahre demokratische Verfassung eine Wirkung für die Zukunft haben, ist eine demokratische "Frischzellenkur" nötig.

Die demoskopischen Befunde liegen auf dem Tisch. Die Diagnose empfiehlt Maßnahmen zur Stärkung und Weiterentwicklung der Demokratie. Wir kennen die Stolpersteine und Hindernisse, die immer mehr Menschen zweifeln lassen, ob die Demokratie als staatliches Ordnungsprinzip noch geeignet ist, die großen politischen Probleme zu lösen. In fast allen demokratischen Staaten laufen die Politiker mit heraushängender Zunge den Lösungen nach: Regeln für internationale Finanzmärkte, Zähmung des Kapitalismus, Bekämpfung des Hungers, Klimaschutz, Steuergerechtigkeit für internationale Konzerne, Sicherung der Grund- und Freiheitsrechte im Kontext Sozialer Medien, wo für einfache Nachrichten mehr Empfangsbereitschaft besteht als für die Erklärung komplexer Zusammenhänge. Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft rasant. Dazu kommen Politiker, die von "alternativlosen Sachzwängen" reden - ohne diese Sachverhalte ausreichend zu begründen und zu erklären; auf gut Deutsch und etwas überspitzt formuliert: "Bürger, wir machen das schon - und du setz deine Maske auf und halt den Mund!" Wo bleibt da Platz für demokratischen Diskurs? Hier ein paar Impulse für die notwendige "Frischzellenkur":

Demokratie muss immer in Bewegung sein. Mehr Mut, Entscheidungen, etwa im Sozialbereich, an Regionen, Bezirke und Gemeinden zu übertragen.

Wandel von der rein repräsentativen Demokratie zur Demokratievielfalt. Das Ziel muss mehr Vertrauen in die Regeln der Demokratie, in Parlamentarismus, Soziale Marktwirtschaft und Sozialpartnerschaft sein.

Vernunft soll Ideologien ersetzen. Rechts, links, geschlossen, zentral und vertikal sind Vergangenheit - die Demokratie der Zukunft soll offen, transparent, dezentral, und horizontal sein.

Wir brauchen mehr Pflege und Vermittlung für das staatliche Ordnungsprinzip Demokratie, mehr Diskussion und Erklärung politischer Zusammenhänge. Verliererfrust ist systembedingt und gehört zur Demokratie dazu.

Demokratie ist Diskussion, das bedeutet, einen Standpunkt zu haben und seine Meinung zu sagen. Das von allen oberösterreichischen Landtagsparteien gestartete Demokratieforum (www.demokratieforum.at) gibt österreichweit Gelegenheit zu Diskussion und Mitgestaltung.