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Ein Weckruf für globale Anleiheninvestoren

Von Peter De Coensel

Gastkommentare

Zu erwarten ist ein Tauziehen zwischen realen und nominalen Zinsen.


Zu beurteilen, wie sich die langfristigen Zinssätze im Zuge der Änderung der geldpolitischen Strategie der US-Notenbank Fed entwickeln werden, ist die größte Herausforderung für Anleihen-Anleger auf der ganzen Welt. Von Jackson Hole aus hat uns Fed-Präsident Jerome Powell gelehrt, dass die Entwicklung hin zu einem "flexiblen durchschnittlichen Inflationsziel" im Wesentlichen bedeutet, dass sich die Inflationsbandbreite erweitert, und zwar um den Mittelwert von 2 Prozent. In dem Moment, in dem der Index der persönlichen Verbrauchsausgaben (Personal Consumption Expenditure) in den USA die 2 Prozent überschreitet, wird die Fed demnach nicht versuchen, ihre Leitzinspolitik zu ändern beziehungsweise zu straffen.

Ausgehend von der strukturellen Unterschreitung der Inflationsmarke von 2 Prozent in den vergangenen acht Jahren sollte man darauf hoffen, dass sich eine zukünftige Überschreitung des Niveaus von 2 Prozent über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren erstreckt. Dies wäre das optimale Szenario. Es könnte durchaus sein, dass die Fed und die US-Regierung angesichts des strukturellen demografischen und produktivitätsbedingten Gegenwinds zu einem unkonventionelleren Einsatz von Instrumenten in den Jahren 2020 und 2021 gedrängt wird, um das allgemeine Preisniveau anzuheben. Die Fed wird ihre Bilanz weiter ausweiten müssen, damit die Fiskalpolitik die Nachfrage und die öffentlichen beziehungsweise privaten Investitionen stützen kann.

Können wir sagen, dass dieses erneuerte Mandat Probleme für Anleiheninvestoren mit sich bringt? Ja, sogar große Probleme, denn Inflationsraten von deutlich mehr als 2 Prozent dürften eine Baisse (anhaltend sinkende Kurse) auf dem Anleihenmarkt auslösen und das reale Kapitalwachstum in allen US-Anleihensektoren destabilisieren. Man kann durchaus sagen, dass die aktuelle Kurve für den US-Overnight-Index-Swap keinen Zweifel daran lässt und zeigt, dass die US-Leitzinsen im Jahr 2030 bei etwa 0,5 Prozent und in den nächsten fünf Jahren unverändert bleiben werden.

Unterdessen ist bei nominalen Anleihen nicht mit einem Bärenmarkt mit sinkenden Kursen zu rechnen. Während Käufer in der Vergangenheit große institutionelle Anleger auf der ganzen Welt waren, ist es jetzt die Fed. Das Wort "Flexibilität" hält die nominalen Zinssätze innerhalb bestimmter Bandbreiten. Mit einem Fed-Zinssatz, der an der Nullgrenze verankert ist, könnten wir wieder etwas mehr Aufwärtsdruck sehen, jedoch keinen aggressiven Anstieg der langfristigen Zinssätze.

Wir sind mindestens zwei, vielleicht drei Jahre davon entfernt, das globale Niveau von Ende 2019 zu erreichen. Die Flexibilität der quantitativen Lockerung wird dafür sorgen, dass die Laufzeitprämien niedrig bleiben. Steigende Inflationserwartungen werden sich in stabilen beziehungsweise niedrigeren Realzinsen niederschlagen. Zu erwarten ist ein Tauziehen zwischen Real- und Nominalzinsen, ein Konkurrenzkampf, der das Exposure in realen gegenüber nominalen Zinssätzen begünstigt.

Der Regimewechsel in der geldpolitischen Strategie der Fed ist also ein Weckruf für globale Anleiheninvestoren. Er dürfte das Interesse für inflationsgebundene Staatsanleihen in allen Regionen ankurbeln. Modellportfolios sind geneigt, ihre Allokationsraster entsprechend anzupassen. Die Kaufprogramme der Zentralbanken heben die Inflationserwartungen und bremsen gleichzeitig den Anstieg der Nominalzinsen. Vor allem, wenn die Leitzinsen in den nächsten drei Jahren an der unteren Nulllinie bleiben sollen. Im besten Fall haben die Realzinsen Spielraum, tiefer in den negativen Bereich zu fallen. Im schlechtesten Fall bleiben sie stabil oder steigen langsamer als die Nominalzinsen.