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Nicht den Wirtschaftsstandort Europa gefährden

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Die EU-Klimapolitik - eine Fortsetzung des Corona-Krieges mit ähnlichen Mitteln?


Vor kurzem stand in einer Zeitung zu lesen: "Angesichts der wirtschaftlichen Notreaktionen auf die Corona-Pandemie gibt es ein seltenes, aber enges Zeitfenster (. . .) Unfassbar viel Geld wird jetzt in die Hand genommen. Nur was stützen wir damit? Ein profitgieriges System oder einen politischen Neustart?" Das könnte man als "Anstiftung zur Systemrevolution" und zum fortgesetzten Einsatz der im Kampf gegen Corona benutzten "Waffen" (extreme öffentliche Verschuldung, massive Freiheitsbeschränkungen und Angst, in Zukunft ergänzt um die problematische Lenkung privater Kreditvergabe) lesen. Und ähnlich könnte auch das Beharren der EU-Kommission auf einer massiven Verschärfung der Klimaziele für 2030 als "Neustart" interpretiert werden, wonach die CO2-Emissionen der EU bis dahin gegenüber 2019 nicht nur um beachtliche 40 Prozent reduziert werden müssen, sondern um 55 Prozent, also um gut ein Drittel mehr. Das EU-Parlament fordert übrigens einen noch deutlicheren Abbau.

Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern ein einfaches Raisonnement. Wenn es möglich ist, die Staatsverschuldung in einem Jahr um 10 bis 20 Prozentpunkte des BIP hinaufzutreiben, dann scheint die Billion Euro für zehn Jahre "Green Deal" nicht mehr unrealistisch. Und wenn die Menschen der Pandemie wegen auf Fliegen, Urlaub und sonstige CO2-intensive Tätigkeiten verzichten können, dann doch wohl auch für die Rettung der Erde.

Tatsächlich dienen die gegenwärtig zu Recht ausgeschütteten Riesenbeträge vor allem dazu, kurzfristig im bestehenden System Unternehmenspleiten zu verhindern, bestehende Jobs zu sichern und so die private Nachfrage und die gestressten Sozialsysteme zu stützen. Diese ungeplante massive Ausgabenlawine müsste eigentlich zu einer kompensatorischen, budgetschonenden Streckung des 2030er-Emissionszieles statt zu seiner Verschärfung führen; zumal die Dringlichkeit dank der temporären unfreiwilligen CO2-Minderungen ohnehin etwas nachgelassen hat. Tut es aber nicht, im Gegenteil.

Wie der weitere Verlauf der Corona-Pandemie von der Verfügbarkeit von Impfstoffen und Medikamenten abhängt, so hängt der weitere Verlauf der Klimakrise vom Durchbruch neuer Technologien, etwa vom wirtschaftlichen Einsatz grünen Wasserstoffs oder einer saubereren Atomtechnologie, ab. Dies könnte in etwa zehn bis fünfzehn Jahren der Fall sein und spricht dafür, nicht durch noch ehrgeizigere CO2-Zielsetzungen für 2030 den Wirtschaftsstandort Europa zu gefährden. Vielmehr sollten die beschleunigte Entwicklung neuer Technologien und der rasche Ausbau erneuerbarer Energien und deren Transport- und Speicherinfrastruktur ins Zentrum der Klimapolitik rücken. Denn angesichts boomender Stromnachfrage (Elektromobilität, Digitalisierung) ist mit zunehmenden Versorgungsengpässen zu rechnen. Man soll sich auch nicht der Illusion einer fundamentalen Änderung des Konsumverhaltens von 7,5 Milliarden Menschen hingeben.

Denn last but not least: Das Weltklima wird so oder so nicht einfach am europäischen Wesen genesen. Der Anteil der klimaschädlichen Emissionen, die in der EU entstehen, beträgt knappe 10 Prozent des Weltausstoßes.