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Schnitzel und Frankfurter gefährden Ungarns Kultur

Von Karl Schultes

Gastkommentare
Karl Schultes ist Historiker und Politikwissenschafter sowie österreichischer Unternehmer in Ungarn.
© privat

Ein Nationalismus, der alles Deutsche pauschal ablehnt.


Die Ungarn können der offiziellen politischen Forderung zum Trotz den westlichen Versuchungen nicht widerstehen und essen gern Wiener Schnitzel (allerdings vom Schwein) und Frankfurter (ohne Senf). Die Magyarisierung begann schon früh, noch bevor unsere Putzfrau vor 69 Jahren als Paula Müller geboren wurde. Jetzt heißt sie Sipos Ibolya. Auch Mickey Mouse heißt in Ungarn Mickey Egér (ungarisch für Maus). Sind diese Dinge noch etwas skurril, so wird es bei der Wirtschaft, dem Bankensektor schon ernster.

Und dann sind da noch die geistig aktiven, kritischen Universitäten. Die Central European University (CEU) hat man vor kurzem, weil vom System nicht kontrollierbar, außer Landes gemobbt. Die nationalen Hochschulen lassen sich natürlich leichter mundtot machen; im wahrsten Sinn des Wortes "mundtot" bietet sich da primär die Universität für Theater- und Filmkunst an. Nach dem Rücktritt von Rektorat, Senat und Dekanatsleitungen reichten unter anderen auch die Filmregisseurin Ildiko Enyedi und die Theaterregisseure Tamas Ascher und Viktor Bodo die Kündigung ein. Enyedi hatte 2017 mit dem Liebesfilm "Körper und Seele" ("Teströl es lelekröl") den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Ascher wird in Ungarn für seine meisterhaften Inszenierungen der Stücke des russischen Autors Anton Tschechow geschätzt. Bodo inszeniert regelmäßig am Wiener Volkstheater, zuletzt Henrik Ibsens "Peer Gynt". Studenten begannen die Universität im Zentrum von Budapest zu besetzen. Vor kurzem übernahm formell ein neues Kuratorium so gut wie alle Leitungsbefugnisse an der Theateruni. Es ist ausschließlich mit Personen besetzt, die die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán ernannt hat.

Treibender Motor der Beseitigung der Universitätsautonomie ist der Präsident des Kuratoriums, Attila Vidnyanszky. Er genießt das Vertrauen Orbáns und ist zugleich auch Intendant des Nationaltheaters. Ihm schwebt die Schaffung einer "neuen nationalen Kunst" vor. Die Theateruni wurde aus seiner Sicht bisher von linken Kräften dominiert, die diesem Vorhaben im Weg stünden. Vidnyanszky glaubt außerdem, das deutsche Theater übe einen schädlichen Einfluss auf die ungarische Theaterkultur aus und natürlich die deutsche Kultur im Allgemeinen. (Anmerkung: In Ungarn wird nicht zwischen deutsch und österreichisch unterschieden.) Also: kein Beethoven, Mozart oder Schubert; weder Goethe noch Schiller oder Grillparzer; bloß nicht Thomas Mann, Günter Grass, Elfriede Jelinek oder Peter Handke; kein Klimt oder Schiele; und natürlich kein Schnitzel und keine Frankfurter, sondern ausschließlich Pörkölt.

Die extreme Magyarisierungspolitik ab dem "Ausgleich" vom März 1867 bis 1918 gegenüber den nicht-ungarischen Volksgruppen feiert seit 2010 im heutigen kleinen Trianon-Ungarn fröhliche Urständ! Obwohl wissend, dass sogar die Wahlen nach 1989/1990 in den ungarischen Nachfolgestaaten als späte Reaktion anti-ungarisch eingestellte nationalistische Parteien an die Macht gespült haben, betreibt Orbán antidemokratische und extrem nationalistische Politik mit verheerenden Auswirkungen für die Zukunft seines Landes.