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Passt auf, was ihr euch wünscht . . .

Von Ralph Schöllhammer

Gastkommentare

US-Präsident Trump polarisiert. Der Diskurs über seine Persönlichkeit überdeckt seine Politik.


Wer das Phänomen Donald J. Trump verstehen möchte, sollte sich die Gallup-Umfrage vom 28. September ansehen. Auf die Frage, ob sie ihre Lebensumstände heute oder vor vier Jahren besser beurteilen, antworteten 56 Prozent der registrierten Wähler, ihr Leben habe sich seit 2016 verbessert. Weder Barack Obama noch Bill Clinton, Roland Reagan oder George W. Bush hatten auch nur annähernd solche Werte nach ihrer ersten Amtszeit. Jeder andere Präsident außer Trump würde mit solchen Werten bei den anstehenden Wahlen einen Erdrutschsieg einfahren. Die Umfrage zeigt auch, dass Trumps Agenda im Gegensatz zu seiner Personalie durchaus mehrheitsfähig ist.

Die Demokraten unter Obama hatten das umgekehrte Problem, mit dem nun die Republikaner und Trump konfrontiert sind: Obama war ein populärer Präsident mit einer unpopulären Partei - bei Trump ist die Partei wesentlich beliebter als der Präsident. Umfragen bestätigen das: Nur 11 Prozent von Trumps Unterstützern wollen ihn wegen seiner Persönlichkeit wählen, während nicht weniger als 56 Prozent von Bidens Unterstützern dem Demokraten ihre Stimme geben wollen, weil er "nicht Trump ist".

Hätte Trump eine weniger abstoßende Persönlichkeit, wäre eine zweite Amtszeit viel wahrscheinlicher. Das zeigt sich auch in einer wenig beachteten Umfrage über die jeweiligen Vizepräsidentschaftskandidaten. Die Demokratin Kamala Harris bekam darin 46 Prozent Zustimmung, Trumps Vize Mike Pence 45 Prozent bei registrierten Wählern - und das, obwohl Biden in manchen Umfragen um bis zu 16 Prozent vor Donald Trump liegt.

Wirtschaftliche Erfolge

Die in den Sozialen Medien teils offene Gehässigkeit bis hin zum Todeswunsch für Präsident Trump nach dessen Hospitalisierung aufgrund der Corona-Infektion mag für viele Gegner eine kurzfristige emotionale Katharsis gewesen sein, aber politisch würde ein Spitzenkandidat Pence einen republikanischen Erfolg viel wahrscheinlicher machen.

Seit 2016 konzentriert sich der Diskurs auf Trumps Persönlichkeit, während die tatsächliche Politik seiner Administration oft in den Hintergrund rückt. Würde man jedoch den Namen Trump streichen und sich nur einige Wegmarken seiner Präsidentschaft ansehen, ergäbe sich zumindest ein gemischtes, wenn nicht sogar positives Bild seiner Amtszeit: Bis zum Ausbruch der Corona-Krise war die US-Wirtschaft auf der Überholspur, vor allem Minderheiten profitierten disproportional von Trumps Wirtschaftspolitik. Unter Latinos und Afroamerikanern wurde ein historischer Tiefststand bei der Arbeitslosigkeit erreicht, während die Einkommen besonders in den unteren Schichten anstiegen. Die von den Republikanern vorangetriebene Steuerreform hat zwar höhere Einkommen bevorzugt, dennoch war sie eine Verbesserung für die untere Mittelschicht.

Positive Strafrechtsreform

Gleichzeitig fixierte Trump die Finanzierung der "Historisch Schwarzen Colleges und Universitäten" und setzte mit dem "First Step Act" eine Strafrechtsreform durch, die vor allem die Gefängnisstrafen von Angehörigen von Minderheiten verkürzen und die gesellschaftliche Reintegration fördern soll. Trotz seiner Rhetorik ist Trumps Policy-Record das Gegenteil von dem, was man von einem zumindest mit rassistischen Gefühlen spielenden Präsidenten erwarten würde. Auch das spiegelt sich übrigens in Umfragen wieder: Trump ist bei Minderheiten zwar unbeliebt, aber beliebter als republikanische Präsidenten vor ihm.

Auch in der Außenpolitik gibt es Erfolge vorzuweisen: Hieß es unter Experten ursprünglich, die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und der Ausstieg aus dem Atom-Deal mit dem Iran würden das Pulverfass Nahost zum Explodieren bringen, so hat sich das Gegenteil bewahrheitet. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten gelang ein Durchbruch, der die Position und das Existenzrecht Israels nachhaltig gesichert hat. Oman und Saudi-Arabien werden vermutlich in naher Zukunft folgen, was der erste Schritt zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israel und der sunnitischen Welt wäre.

Würde Trump Twitter abstellen und seinen Wunsch nach Medienaufmerksamkeit unter Kontrolle bekommen, sähe das Rennen anders aus. Man darf nicht vergessen: Trump gewann 2016 nicht aufgrund erfolgreicher Wählermobilisierung. Tatsächlich erhielt er weniger Stimmen als Mitt Romney 2012 - der Schlüssel zu seinem Erfolg war, dass seine Kontrahentin Hillary Clinton ebenso unbeliebt und noch schwächer in der Mobilisierung war.

Unpopuläre Demokraten

Fiele das Rampenlicht wieder mehr auf die Demokraten, wäre eine Wiederholung von 2016 nicht auszuschließen. In den vergangenen vier Jahren haben sich nicht nur die Positionen bei den Republikanern verschärft, sondern auch bei den Demokraten, und viele davon sind zutiefst unpopulär: das Abschaffen des Wahlmännersystems und des Senates, die Ausweitung der Richtersitze des Verfassungsgerichtshofes, eine Erhöhung der Anzahl an Bundesstaaten, ein generelles Fracking-Verbot und der "Green New Deal", dem übrigens kein einziger Demokrat im Senat zugestimmt hat, weil man sich dessen mangelnder Popularität durchaus bewusst ist.

Solange Trump Irrsinn tweetet, hat er die volle Medienaufmerksamkeit und ein Monopol an negativen Schlagzeilen. Würde er sich medial zurückziehen, müsste man sich auch näher mit den Positionen der Demokraten auseinandersetzten, was Biden in den vergangenen Wochen bewusst vermieden hat. So wurde er an einem Tag viermal befragt, ob er die Zahl der Verfassungsrichter erhöhen würde - und verweigerte viermal eine Antwort.

Auch die in den vergangenen Monaten teils gewalttätigen Ausschreitungen im Zuge von Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt nützen den Demokraten nicht wirklich. Die auslösenden Vorfälle fanden beinahe ausschließlich in demokratisch regierten Städten statt, und selbst die afroamerikanische Bevölkerung stimmt den Demonstranten nur bedingt zu. Nicht weniger als 81 Prozent der schwarzen Bevölkerung wünschen sich eine gleichbleibende oder erhöhte Polizeipräsenz in ihren Wohngegenden - und die Idee vieler Demokraten, finanzielle Mittel für die Polizei zu streichen, sorgt dort für starke Irritationen.

Selbst beim Corona-Krisenmanagement ist die Analyse etwas komplexer, als es in der medialen Berichterstattung scheint. Die Fehler der Trump-Administration sind unbestreitbar, aber auch die Demokraten hielten noch bis in den März hinein Massenveranstaltungen ab, und Biden bezeichnete die Reiserestriktionen gegenüber China als "Hysterie, Xenophobie und Angstmache". Trumps Tweets zum Trotz ist der Präsident nicht alleinig für die Gesundheitspolitik zuständig. Und in demokratisch regierten Bundesstaaten wie New York, New Jersey oder Connecticut sind die hohen Todeszahlen auch auf lokales Behördenversagen zurückzuführen. So verpflichtete New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo Alters- und Pflegeheime, Covid-19-positive Patienten aufzunehmen, was zu einem zentralen Faktor bei der Virusverbreitung innerhalb der vulnerabelsten Gruppe wurde.

Biden und die Demokraten wollen die Wahl aussitzen und hoffen, dass Trump weiter im medialen Fokus bleibt und sich weiter ins eigene Knie schießt. Es ist das Glück der Demokraten, dass hier auf den Präsidenten Verlass ist.