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Vom Dialogforum zum Weltparlament

Von Karl Pangerl

Gastkommentare

Die UNO wurde vor 75 Jahren gegründet. Ein Vorschlag für eine neue Struktur nach EU-Vorbild.


Die Vereinten Nationen als freiwilliger Zusammenschluss souveräner Staaten sichern gemäß UN-Charta den Weltfrieden, schützen die Menschenrechte, wahren das Völkerrecht und befördern die internationale Zusammenarbeit. Hinzu kommt wirtschaftliche, soziale und humanitäre Unterstützung. Man hat aus der Geschichte gelernt und ist bemüht, dass sich aus weltweitem Gegeneinander ein globales Miteinander bildet.

Skizze einer Weltgemeinschaft: Sollte die UNO künftig so aussehen?
© Daniel Baumann, Igor Pranjic, WPG-Geografie Team 2019/21 (BG Vöcklabruck)

Die UNO erzielte als Dialogforum Erfolge bei Krisenprävention, Krisenmanagement und Friedenssicherung. Als Meilenstein gilt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." (Artikel 1) Ihre Einhaltung ist für jedes UN-Mitglied verpflichtend. Die Millenniumsziele wirken in den nachhaltigen Entwicklungszielen bis 2030 fort. Mit den Klimakonferenzen förderte die UNO entscheidend das Bewusstsein einer verletzlichen Welt und das Begreifen der Menschheit als Schicksalsgemeinschaft. Damit hob sie die Grundlage ihrer Legitimation auf eine neue Stufe.

Anspruch und Funktion

Karl Pangerl ist AHS-Lehrer in Oberösterreich. Der vorliegende Text entstand in Zusammenarbeit mit dem WPG-Geografie-Team 2019/21 des BG Vöcklabruck (Idee: Daniel Baumann und Igor Pranjic).
© privat

Seither klafft ein schmerzhafter Widerspruch zwischen strukturellem Anachronismus und Gewissen. Damit eine Weltgemeinschaft funktionieren kann, muss die UNO eine umfassende Zusammenarbeit, die Bewahrung des Friedens und ihrer allgemeinen Ziele in allen Mitgliedstaaten garantieren können. Resolutionen sollten ohne Zustimmung von Vetomächten bindend, Macht fairer verteilt werden. Und es braucht eine demokratische Legitimierung. Eine solche Weltgemeinschaft nimmt eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Welt ein. Im Respektieren menschlicher, sozialer und ökologischer Grenzen eröffnet sie Möglichkeitsräume.

Ein Ansatz, Anspruch und Funktion der UNO in Einklang zu bringen, wäre nach Vorbild der EU folgender: Die Generalversammlung der Staats- und Regierungschefs (World Council) formuliert Leitlinien. Das operative Gravitationszentrum bildet ein Weltparlament aus zwei Kammern: Die Vollversammlung (Assembly) konstituiert sich nach Vorbild des EU-Parlaments aus Abgeordneten aller Staaten, wobei jene mit geringerer Bevölkerungsanzahl leicht überrepräsentiert wären. Europa sollte den Anspruch demokratischer Legitimation seiner Delegierten erheben, denn Wahlen stärken das Welt- und Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung.

Im Rat der Vorsitzenden der Fachkommissionen und Sonderorganisationen (Advisory Board), wie sie der Wirtschafts- und Sozialrat bündelt, sind die Weltregionen möglichst gleichberechtigt repräsentiert. Um den Anschein von Ämterkauf zu unterbinden, gilt der UN-Mitgliedsbeitrag für alle Sonderorganisationen. Ein Rechnungshof garantiert eine transparente finanzielle Gebarung.

Ein Weltkomitee als Exekutivorgan (Committee) führt die Funktionen von Generalsekretär und Weltsicherheitsrat zusammen. Ersterer koordiniert die Agenden des Komitees. Letzterem gehört je ein Vertreter jeder Weltregion an. Es interpretiert "globale Sicherheit" umfassend, legt Resolutionen dem Parlament zur Beschlussfassung vor und sichert deren Umsetzung.

Das Parlament übt die Kontrolle des Weltkomitees aus und ersetzt das Vetorecht: Ein Mehrheitsbeschluss (Quote und Procedere wären festzulegen) ist gültig, kein Land kann ein Veto dagegen einlegen. Verstößt ein Land gegen die einvernehmlich auferlegten Regeln, wird der unabhängige Internationale Gerichtshof angerufen, dessen Urteil bindend ist.

Nachhaltige Globalisierung

Eine nachhaltig verstandene Globalisierung böte Vorteile für alle. In diesem Sinn könnte man die politische Weltgemeinschaft mit einer wirtschaftlichen verschränken. Solcherart würde sie genügend internationales Ansehen generieren, um gefährliche Alleingänge zu verhindern und globale Herausforderungen effektiv und koordiniert zu meistern.

Eine fundamentale Neugestaltung der Charta der Vereinten Nationen bedarf der Billigung durch zwei Drittel aller Mitglieder und insbesondere der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats. Nur ein Traum? Beginnt nicht alles, was Sinn haben will, mit einem Traum, wohin immer es führt? Indem der Augenarzt Li Wenliang zum Helden erhoben wurde, erklärte selbst Chinas Kommunistische Partei, dass Pflicht im Dienst von Leben, Liebe und Wahrheit stärker sein darf und muss als Angst. Es sind die Schwächen, die einen Menschen und auch einen Staat erst zum sozialen Wesen machen. Stärke in Gemeinschaft bedeutet Aufrichtigkeit, geteilte Verantwortung, gebündelte Problemlösungskapazität - und die Freiheit zum Irrtum, ohne die es keinen Fortschritt in Frieden gäbe.