Zum Hauptinhalt springen

Ein Gender-Gap kommt selten allein

Von Mattias Muckenhuber

Gastkommentare
Mattias Muckenhuber ist Ökonom beim Momentum Institut mit dem Schwerpunkt Verteilung.
© Ingo Petrramer

Die enorme Lohnschere zwischen den Geschlechtern verringert auch Pensionen, Arbeitslosengeld und Vermögen von Frauen.


Die Hälfte unserer Bevölkerung ist mit einer gravierenden Ungleichheit konfrontiert: Frauen verdienen im Mittel um 37 Prozent weniger als Männer. Daran hat sich auch in den letzten 20 Jahren kaum etwas geändert. Darüber diskutiert wird jedoch nur einmal im Jahr - am heutigen Equal-Pay-Day. Der enorme Unterschied beim Einkommen ist aber nicht nur ein Maßstab für die immer noch nicht erreichte Gleichberechtigung von Frauen, er zieht auch handfeste Nachteile in vielen Lebenssituationen nach sich. Die beschämend niedrigen Frauenpensionen sind nur ein Beispiel. Auch bei Jobverlust bekommen Frauen deutlich weniger als Männer. Darüber hinaus können sie auch viel schwieriger Vermögen aufbauen.

An dieser Stelle ein Blick auf die Zahlen: Die Hälfte der Frauen verdiente im Jahr 2018 weniger als 22.000 Euro brutto, die Hälfte der Männer weniger als 34.700 Euro. Bei der Differenz handelt es sich um den sogenannten "unbereinigten" Gender-Pay-Gap. Er berücksichtigt nicht, dass Frauen oft Teilzeit arbeiten, in schlecht bezahlten Branchen tätig sind, oder seltener Führungspositionen innehaben.

Strukturelle Benachteiligungen

Nun wird gerne darauf verwiesen, dass die Lohnschere in Wahrheit ja gar nicht so groß sei, wenn man diese Faktoren berücksichtige. Der darum "bereinigte" Gehaltsunterschied ignoriert aber einerseits die strukturellen Benachteiligungen von Frauen - Stichwort mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Pflege von Angehörigen, gläserne Decke. Andererseits weist er den Frauen auch noch selbst die Schuld für die Misere zu. Dramatisch ist die Lücke bei den Pensionen: weniger Beitragsjahre kombiniert mit geringerem Einkommen ergeben einen Gender-Pension-Gap von satten 39 Prozent. Die Folge: Altersarmut und finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Auch bei Arbeitslosigkeit bekommen Frauen im Mittel ganze acht Prozent weniger.

Die Benachteiligung von Frauen manifestiert sich aber noch woanders: Vergleicht man Singles, die geerbt haben, zeigt sich, dass Frauen im Mittel um 36 Prozent beziehungsweise 21.900 Euro weniger bekommen. Deutlich niedrigere Erbschaften und geringere Einkommen erklären, warum Frauen viel weniger Vermögen besitzen. Die Differenz zu den Männern beträgt auch hier ganze 29 Prozent oder 12.900 Euro.

Eine Welt ohne Gender-Pay-Gap bleibt Science-Fiction

Für die Überwindung der finanziellen Ungleichbehandlung von Frauen und Männern gibt es keine einfache Lösung. Solange wir aber unbezahlter Arbeit in den Bereichen Pflege, Erziehung und Kinderbetreuung nicht einen höheren gesellschaftlichen und monetären Wert beimessen, wird sich daran nichts ändern. Die Politik könnte aber zumindest die Rahmenbedingungen enorm verbessen: Mehr kostenlose Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die stärkere Berücksichtigung von Erziehungs- und Pflegezeiten, die starke Erhöhung der Mindestpensionen sowie die Einführung einer 30-Stunden-Woche wären wichtige Schritte in diese Richtung. Denn geht es im bisherigen Tempo weiter, wird sich die finanzielle Gleichstellung der Frauen noch bis ins Jahr 2485 ziehen.