Zum Hauptinhalt springen

Medien, Migranten und ein "starker Führer"

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
© privat

Wie gefestigt ist die liberale Demokratie in Mittel- und Osteuropa?


Der slowakische Thinktank Globsec kommt in seiner aktuellen Zehn-Länder-Befragung zu interessanten Ergebnissen: Neun von zehn Österreicherinnen und Österreichern unterstützen ein liberales demokratisches System. Nur 7 Prozent würden heute für einen "starken, entschlossenen Führer" plädieren. Im Länder-Vergleich belegt Österreich damit Platz eins, gefolgt ausgerechnet von den EU-"Sorgenkindern" Ungarn und Polen, während etwa in Lettland und Bulgarien die Zustimmung zur liberalen Demokratie am geringsten ausfällt und dort 35 beziehungsweise 45 Prozent für einen "starken Führer" eintreten.

Allerdings ist das Bekenntnis
zur liberalen Demokratie in Österreich nur schwer mit jenem seiner EU-Nachbarländer in Mittel- und Osteuropa vergleichbar. Zu unterschiedlich waren die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Trotz hoher Demokratiezufriedenheit sehen aber auch hierzulande viele Menschen die Politik nicht frei von externer Einflussnahme und scheinen überzeugt, dass einzelne gesellschaftliche Gruppen bevorzugt werden. Die Medienlandschaft wird als weitgehend frei beurteilt, das Vertrauen in sie ist jedoch begrenzt - ein Phänomen, das sich besonders stark auch in Polen und Bulgarien beobachten lässt.

Die Krisen der vergangenen Jahre haben zu einem Erstarken populistischer Kräfte und gesellschaftlicher Polarisierung geführt - eine Tendenz, die anhält: So ist die Flüchtlings- und Migrationsthematik in Österreich weiterhin stark emotional besetzt. Vier von zehn Befragten meinen etwa, Migranten würden eine Bedrohung für heimische Werte und die Identität darstellen. In sechs der zehn Länder ist diese Zahl sogar noch höher. Ein Paradoxon vor dem Hintergrund, dass Österreich deutlich mehr Asylwerber aufgenommen hat als die anderen Länder zusammengenommen.

Verschwörungstheorien und Desinformation fallen in Österreich durchaus auf fruchtbaren Boden, meist allerdings in geringerem Maße, als dies bei unseren Nachbarn der Fall ist. So glaubt ein Fünftel der Befragten in Österreich, das Weltgeschehen werde von geheimen Gruppen gesteuert. In den anderen Ländern sind im Durchschnitt mehr als 40 Prozent dieser Ansicht. Ebenso viele glauben, dass Österreich in der EU nichts zu sagen habe, was etwas seltener ist als etwa in Rumänien, aber häufiger als bei unseren tschechischen und ungarischen Nachbarn. Für die gesamte Region gilt: Wer für Verschwörungstheorien anfällig ist, zeigt auch mehr Bereitschaft, die liberale Demokratie durch einen "starken Mann" zu ersetzen und demokratische Freiheiten für vermeintlich größere Sicherheit sowie die Stärkung traditioneller Werte einzutauschen.

Wie kann gegengesteuert werden? Am besten, indem verantwortungsbewusste Politiker Herausforderungen offen ansprechen; indem ein faktenbasierter Dialog auf allen Ebenen geführt wird, grenzüberschreitende Kooperation intensiviert und zivilgesellschaftliche Akteure stärker eingebunden werden. Nicht zuletzt müssen jedoch die EU und ihre Mitgliedstaaten auch beweisen, dass sie fähig und vor allem willens sind, die richtigen Antworten auf die großen Fragen der Gegenwart zu finden.

Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) war als österreichischer Partner am Projekt "Voices of Central and Eastern Europe" beteiligt. Mehr Infos auf: www.oegfe.at