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Wo bleibt der Empörungsschrei?

Von Hellmut Butterweck

Gastkommentare
Hellmut Butterweck war Journalist mit den Schwerpunkten Kultur und Zeitgeschichte und schrieb mehrere Bücher, zuletzt "Staat, wach auf - warum die Wirtschaft einen externen Regulator braucht" (Wien 2019).
© privat

Nach dem Anschlag von Wien sollten Muslime lautstark gegen islamistischen Terror demonstrieren.


Der islamische Extremismus sei der Feind, "nicht alle Angehörigen einer ganzen Religion," sagte Bundeskanzler Kurz. Wie recht er doch hatte! Doch der fällige Empörungsschrei der ganzen Religion war bisher nicht zu hören. Je später er kommt, falls er doch noch kommen sollte, je weniger spontan er ausfällt, umso ernsthaftere Gedanken muss man sich darüber machen, wie es in dieser Religionsgemeinschaft aussieht.

Man darf davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrheit der in Österreich lebenden Muslime von der Wahnsinnstat des jungen Kujtim F. geschockt ist. Und auch davon, dass viele von ihnen den Impuls hätten, auf die Straße zu gehen, ihr Entsetzen kundzutun und der Welt zu sagen, dass solche Taten dem Islam widersprechen, so wie sie selbst ihn verstehen und dass kein islamistischer Mörder das Recht hat, sich auf ihren Islam zu berufen.
Die dänischen Mohammed-Karikaturen brachten seinerzeit sehr schnell weltweit viele Tausende Muslime auf die Beine. Schlägt aber ein islamistischer Massenmörder zu, herrscht Schweigen im Walde. Die öffentliche Distanzierung Offizieller, das Häuflein Mutiger, die das Ansehen der muslimischen Gemeinschaft zu retten versuchen, sind ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch wo bleibt der Aufschrei der vielen? 

Sollte es an der Initiative fehlen, sollte in der friedfertigen islamischen Gemeinschaft einfach niemand auf die naheliegende Idee kommen, auf die Straße zu gehen und sein Nein zu solchen Taten in die Welt hinausurufen, wäre das kein Zeichen dafür, dass diese Gemeinschaft in unserer Gesellschaft angekommen ist.

Sollte es in dieser friedfertigen Gemeinschaft aber einen Druck geben, Demonstrationen gegen  islamistische Wahnsinnstaten zu unterlassen, sollten Muslime, die auf solche Ideen kommen, vielleicht gar Angst haben müssen, sich Repressionen und persönlicher Gefahr auszusetzen, wäre dies noch schlimmer. Und zwar um vieles schlimmer. Die Muslime sollten begreifen, wie nahe der Verdacht liegt, allzu viele könnten sehr genau wissen, was in Moscheen wie jener, in der Kujtim F. radikalisiert wurde, vor sich geht. Oder es könnten sogar manche klammheimlich mit solchen Taten sympathisieren.
Nach der Tat vom Montag ist es hoch an der Zeit, dass sich die Gemeinschaft aller in Österreich lebenden friedfertigen Muslime solchen Fragen stellt und den Rest der Gesellschaft wissen lässt, was dabei herausgekommen ist. Oder dass man, wenn sie es nicht selber tun, eine solche Antwort von ihnen fordert. Und dies nicht nur im Interesse der ganzen Gesellschaft, sondern nicht zuletzt jener gewaltigen Mehrheit friedlicher Muslime, die unser Land mit ihrer Arbeit, ihrer Initiative und Kreativität bereichern - und im Falle eines Falles mit ihrer Hilfsbereitschaft und ihrem Mut, wie Mikail und Recep am Schwedenplatz.