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Noch kein transatlantischer Honeymoon in Sicht

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".
© Ralph Manfreda

Auch unter US-Präsident Joe Biden werden Interessenkonflikte bestehen bleiben.


Mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wird sich auch das transatlantische Verhältnis grundlegend verändern. Unter Donald Trump waren die Beziehungen zwischen den USA und der EU denkbar schlecht. Es gab in seiner Amtszeit einen Mix aus Strafzöllen und Sanktionen. Aber auch eine konstruktive Haltung des Trump-Nachfolgers kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen der EU und den USA weiterhin Interessengegensätze herrschen werden. Eine Rückkehr in die Zeit, als sich die USA um die Sicherheit Europas kümmerten und die europäischen Staaten sich um ihre Wirtschaft kümmern konnten, wird es nicht mehr geben.

Biden wird zwar um ein besseres Verhältnis mit den Europäern bemüht sein, aber auch er hat sich schon öfter für "buy American"-Programme ausgesprochen. Und prinzipiell gelten die Demokraten als strengere Protektionisten als die Republikaner. Die Aussichten für ein neues Handels- und Investitionsabkommen stehen schlecht. Nach dem Ende des transatlantischen Vertragsprojekts TTIP, das Trump sofort aufkündigte, wird der Handelsstreit nicht leicht beizulegen sein.

Gleich nach dem von allen außer der Trump-Administration anerkannten Wahlsieg Bidens hat die EU Anfang der vergangenen Woche eine Reihe von Strafzöllen auf US-Produkte - von Ketchup bis zu Flugzeugteilen - eingeführt.

Diese neuen Strafzölle quasi zur Begrüßung Bidens waren strategisch freilich keine Meisterleistung der EU-Kommission. Dabei hoffen die EU-Staaten, dass die USA unter Biden wieder zum Multilateralismus zurückkehren werden. Der neue Präsident will auch wieder dem von Trump aufgekündigten Klimaschutzabkommen von Paris beitreten.

Im militärischen Bereich wird auch die Nato, die von Trump als "obsolet" bezeichnet wurde, wieder Aufwind spüren. Doch an der Forderung der USA, dass die europäischen Verbündeten ihren Beitrag erhöhen müssen, wird sich nicht viel ändern.

Konflikte werden auch im Technologiesektor bestehen bleiben. Die EU will US-Firmen, die im Internet eine marktbeherrschende Stellung haben, darunter Google, Facebook, Amazon oder Apple, mit einer neuen Digitalsteuer, die in den gemeinsamen EU-Haushalt fließen soll, belegen.

Die EU wird auch außenpolitisch mehr Eigeninitiative entwickeln müssen. Im Nahen Osten waren die Europäer unter Trump so gut wie nicht existent. Und im Verhältnis zu China oder Russland sollten sie mehr auf ihre eigenen Interessen achten. Für den britischen Premier Boris Johnson stellt die Abwahl Trumps einen herben Rückschlag dar, denn Biden war gegen den Brexit.

Schlechte Nachrichten bedeutet der Wahlsieg des Demokraten auch für die autoritären Regierungen in Ungarn und Polen. Biden hat beide als "totalitäre Regime" bezeichnet. Dabei hat er selbst gute Erinnerungen an Ungarn: 1976 führte ihn seine Hochzeitsreise mit seiner zweiten Frau Jill an den Plattensee.

Den Vogel abgeschossen hat freilich der slowenische Premierminister Janez Jansa: Er hat nämlich als erster - und einziger - europäischer Spitzenpolitiker Trump zu dessen Wiederwahl gratuliert.