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Arbeit statt Almosen

Von Sabine M. Fischer

Gastkommentare
Sabine M. Fischer, Inhaberin von Symfony Consulting, ist Wirtschaftspädagogin, Human-Factor-Unternehmensberaterin und Sprecherin des AK Industrie 4.0/IoT in Wien.
© Symfony/Klaus Prokop

Auch der Innovationsgeist steckt in der Krise.


Mit geringsten Mitteln möglichst viel Output erzielen - das ist die Herausforderung jedes Unternehmertums. Es braucht Kreativität, Know-how und Erfahrungen von Menschen und die Chance, sie anzuwenden. Menschen und Arbeitsmöglichkeiten werden aber in steigendem Maße zum Schutz vor Infektionen eingeschränkt: aktuell 570.000 unselbständig Erwerbstätige - 437.421 ohne Arbeit und 132.579 in Kurzarbeit. Auch von den 318.793 Einpersonenunternehmen kann die Mehrzahl ihr Know-how beruflich nicht mehr nutzen.

Im Zentrum der Maßnahmen der Regierung stehen aber nicht das lahmgelegte Arbeits- und Innovationspotenzial, sondern nur der Einkommensverlust. 38 Milliarden Euro werden "auf den Weg gebracht" (Zitat Wirtschaftsministerium), um Massenarbeitslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen zu verhindern. So fließt der Innovationsgeist in das Ausfüllen der Antragsformulare.

Wie wäre es, das Geld in die Erfüllung von Bedürfnissen zu investieren, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft während und nach der Krise wesentlich sind? Im ersten Lockdown wurden besonders bedeutsam:

Platz und Zeit für den individuellen Rückzug zum Arbeiten, Lernen, Erholen;

individuelle Betreuung durch Gespräche und/oder Pflege;

Schutz vor häuslicher Gewalt;

musikalische und sonstige künstlerische Anregung beziehungsweise Unterhaltung;

ausführliches Erklären von Lerninhalten in kleinen Gruppen oder Tutoring;

körperliche Aktivitäten;

gemeinsames Spielen.

Vieles kann auch digital bewerkstelligt werden, vieles dadurch, dass wir unsere bisherigen Konzepte von Raumnutzung aufgeben und auch die Tätigkeitsfelder von Berufen an die neuen Anforderungen anpassen. Überarbeitete Mütter, überfüllte Schulen, erschöpfte Pflegekräfte und existenzbedrohte Unternehmer könnten durch neue Berufsbilder und auf neue Weise genutzte Leerstände die so dringend benötigte Entlastung erhalten. Denn Covid-19 verlangt uns allen einen Marathon ab, keinen Sprint.

140 Arbeitslose hat das AMS bisher als temporäre Corona-Contact-Tracer vermittelt - ein Beruf, den wir vor einem Jahr nicht einmal kannten. Warum also nicht vorhandene berufliche Fähigkeiten für den wichtigsten Resilienzfaktor der Menschen - die Familie beziehungsweise das Wohnumfeld - nutzen? Hotels und Veranstaltungscenter haben in der Krise viele leere Räume, teils mit sehr guter IT-Infrastruktur, Museen verfügen über spannende Anregungen für unterschiedliche Zielgruppen inklusive Museumspädagogen. Eventmanager und Outdoor-Trainer sind Experten beim Gestalten von motivierenden Aktivitäten und mittlerweile sehr erfahren beim Ausarbeiten von Infektionspräventionskonzepten. Medienfachleute, Werbeassistenten, Bürokaufleute etc. können problemlos mit üblicher Office-Software umgehen und wären sicher in der Lage, Lehrer, Eltern, Kinder, Jugendliche und Senioren bei der Teilnahme an Online-Konferenzen zum Distance Learning oder bei virtuellen Familientreffen zu unterstützen.

Warum nicht Unternehmen und Menschen für die jetzt so notwendigen Tätigkeiten bezahlen, statt über Hilfsfonds Almosen zu verteilen?