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Aktienmärkte in Feierstimmung

Von Ingrid Szeiler

Gastkommentare

Warum sich Joe Bidens Wahlsieg positiv auswirkt.


Auch wenn die meisten Beobachter im Vorfeld von einem relativ klaren Sieg Joe Bidens ausgegangen waren und dieser die US-Präsidentenwahl tatsächlich gewann, hat es nicht an Spannung gefehlt. Dass der Sieg der Demokraten nach tagelanger Zitterpartie im Anschluss an die Verkündung für eine derartige Feierstimmung an den Börsen sorgen würde, war in diesem Ausmaß nicht unbedingt zu erwarten. Denn die Partei, die zwar hohe Ausgabenbereitschaft, etwa in Infrastrukturmaßnahmen, signalisiert hat, steht auch für mehr Regulierung und höhere Unternehmenssteuern.

Doch die Erleichterung über größere politische Berechenbarkeit und wohl auch über die Tatsache, dass sich Biden mit einem von der Opposition kontrollierten Senat arrangieren wird müssen (aktuell steht es 50 zu 48 zugunsten der Republikaner, wobei es um insgesamt 100 Sitze geht), haben die globalen Aktienmärkte im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt. Den juristischen Anfechtungen von Noch-Amtsinhaber Donald Trump wird so gut wie kein Erfolg in Aussicht gestellt. Und wenn es ihm in einem Staat doch noch gelingen sollte, die Mehrheit zu erlangen, verfügt Biden trotzdem über genügend weitere Wahlmänner, um dies zu verkraften. Das wäre also weder für die Wirtschaft noch für die Finanzmärkte eine gröbere Belastung.

Sollten die Republikaner im Senat - so wie es sich derzeit abzeichnet - die Mehrheit behalten, könnte sich ein neues großes Stimuluspaket für die US-Wirtschaft weiter verzögern oder möglicherweise kleiner ausfallen als erhofft. Auch die öffentlichen Ausgaben werden vermutlich seitens der Republikaner eingebremst. Das hätte geringere Inflations- und Wachstumsraten zur Konsequenz. Dieses Szenario hat dazu geführt, dass US-Staatsanleihen nach Bekanntwerden des Ergebnisses kräftig nachgeben haben.

Viele Anleger dürften etwaige Absicherungen auflösen

Gleichzeitig wird ein demokratischer Präsident dadurch sehr viel weniger an neuen Regulierungen oder Steuererhöhungen umsetzen können, was wiederum die Aktienmärkte freut. Trotz aller Polarisierung der vergangenen Jahre ist anzunehmen, dass sich die beiden Parteien letztlich wieder arrangieren werden, zumal der stark agitierende Trump künftig wohl nicht mehr im Spiel sein wird. Das scheint zumindest die aktuelle Sicht der meisten Marktteilnehmer zu sein. Alles zusammengenommen hat das zu einer recht deutlichen Risk-on-Stimmung geführt, und es ist anzunehmen, dass viele Anleger etwaige Absicherungen auflösen werden, sofern sie es nicht schon getan haben, und dass reduzierte Positionen vorsorglich wieder aufgestockt werden. Und zwar nicht nur in den USA, sondern weltweit. Wie lange diese Stimmung anhält, wird sich erst zeigen.

Wie könnte es weitergehen? Es wäre wohl verfrüht, die US-Wahlen schon komplett abzuhaken. Etwaige juristische Nachspiele könnten durchaus noch für zumindest zeitweilige Stimmungsänderungen und entsprechende Kursschwankungen an den Märkten sorgen. Darüber hinaus gilt es abzuwarten, welche konkreten Agenden eine etwaige demokratische Administration überhaupt verfolgen wird. Biden hat sich im Vorfeld inhaltlich auf sehr wenig festgelegt. Die Kampagne der Demokraten konzentrierte sich weitgehend auf Trumps Ablöse.

Relativ sicher scheint, dass die künftige US-Regierung Themen wie Klimaschutz und erneuerbare Energien anders angehen wird. Das Versprechen, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten, hat Biden unmittelbar nach seinem Sieg abgegeben. Der Ton gegenüber China könnte etwas weniger rau werden, was aber nicht bedeuten muss, dass sich an der grundlegenden Auseinandersetzung sehr viel ändert. Zumindest eine gewisse Entspannung bei den Handelskonflikten, vor allem gegenüber anderen Partnern der USA, scheint aber wahrscheinlich.

Andere Themen werden die US-Wahl rasch verdrängen

"Politische Börsen haben kurze Beine", sagt eine alte Finanzmarktweisheit. Turbulenzen rund um Wahlen in den USA hatten in der Vergangenheit meist nur geringe bleibende Effekte. Das dürfte aller Voraussicht nach diesmal nicht viel anders sein. Die neue Administration Bidens wird erst im Jänner ins Weiße Haus einziehen. Daher werden wohl andere Themen recht schnell wieder in den Vordergrund treten und das Geschehen auf den Aktien-, Anleihe- und Rohstoffmärkten dominieren, etwa die Corona-Pandemie und deren volkswirtschaftliche Auswirkungen.

Mittel- und langfristig bleibt unser Ausblick für die Aktienmärkte positiv, vor allem für jene außerhalb der USA. Bei Staatsanleihen hat sich das Bild ebenfalls kaum verändert. Deren Renditen scheinen bis auf Weiteres in einer relativ engen Spanne gefangen. Unternehmensanleihen sowie Schwellenländeranleihen bieten ein besseres Risiko-Ertragsprofil, wobei eine gute Auswahl unerlässlich bleibt, denn trotz Notenbanken und Fiskalpaketen sind die Ausfallsrisiken keineswegs verschwunden.