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Die Selbstaufgabe der Neos

Von Paul Mychalewicz

Gastkommentare
Paul Mychalewicz ist Historiker, AHS-Lehrer für Englisch und Geschichte sowie Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien.
© privat

Im Programm der neuen Wiener Stadtregierung wird das wenige Pink von sehr viel Rot überdeckt.


Es ist ja durchaus verständlich, dass eine kleine Partei die Chance ergreift, in eine Regierung, und sei es auch nur eine Landesregierung, einzutreten. Ebenso klar ist, dass man mit 8 Mandaten gegenüber den 46 der großen Koalitionspartei nicht annehmen kann, dass sich das gesamte eigene Programm durchsetzen lässt. Aber alle Grundsätze über Bord zu werfen, nur um ein Zipfelchen der Macht zu erreichen, ist halt doch ein starkes Stück.

Die Rede ist von den Wiener Neos. Einige Kostproben gefällig? Es beginnt schon in der Wirtschaft: Im entsprechenden Kapitel des Wiener Stadtregierungsprogramms wird die Gemeinwohlwirtschaft festgeschrieben. Hat man die Neos nicht als leidenschaftliche Verfechter der Marktwirtschaft kennengelernt? Auch Gemeindewohnungen sollen weiter errichtet werden. Ist das nicht die Welt von gestern? Eigentum ist offensichtlich kein Ziel mehr für die Neos.

Natürlich bleiben auch andere heilige Kühe der SPÖ sehr lebendig, etwa die Sonderregelungen für Gemeindebedienstete bei Umstrukturierungen. In diesen Fällen ist weiterhin ein Pensionsantritt mit 55 Jahren vorgesehen. Auch die sogenannten Luxuspensionen, die im Bund längst abgeschafft sind, bleiben in Wien weiter bestehen. Es gibt nicht einmal den zartesten Versuch, daran zu rütteln.

Ein weiterer Bereich, in dem sich die SPÖ nicht in Karten schauen lassen will, sind Medienkooperationen. Die Formulierungen dazu sind so gewählt, dass mit keinerlei Transparenz zu rechnen ist. Dabei war auch dieser Bereich ein Thema, das die Neos wie eine Monstranz vor sich hertrugen. Auch hier ist keine Handschrift des kleinen Koalitionspartners zu erkennen.

Wohin der Zug in Sachen Bildung geht, außer dass alles besser und schöner werden soll, war bisher bei den Neos nicht ganz klar. Das Thema wurde nur die längste Zeit als zentrales Anliegen präsentiert. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Es geht in Richtung der von der SPÖ gewünschten Gesamtschule.

Zu dem Programm passt auch die Terminologie. Man glaubt sich in einer Zeitmaschine mehr als 40 Jahre zurückversetzt. Nicht nur, dass eine Politik aus den 1980ern betrieben wird, auch die Markenzeichen stammen aus dieser Zeit. Es wird abwechselnd von einer "Fortschrittskoalition" schwadroniert, als würde Bruno Kreisky um die Ecke schauen, oder aber gar von einer "sozialliberalen Koalition" geträumt. In Österreich gab es eine solche ja nie, sondern man meinte damit die Koalition von SPD und FDP unter Willy Brandt und Walter Scheel. Damit wird aber alles nur noch skurril. Denn eine derart sozialistische Ideologie, die im Wiener Rathaus Wiederauferstehung feiert, hat es in Deutschland nie gegeben. All dies wird offensichtlich von den Neos mitgetragen.

Wähler, die vor ein paar Wochen - vielleicht voller Überzeugung - ihre Stimme den Neos gegeben haben, müssen sich nun die Augen reiben und wundern, in welcher schönen, neuen Welt sie aufgewacht sind. So eine Politik haben sie ja wohl nicht gemeint. Sie können sich jetzt nur noch fragen: Wohin soll ich mich wenden?