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Ethik rein, Religion raus

Von Niko Alm

Gastkommentare

Die Religion soll im Unterricht nur aus einer Außensicht vermittelt werden.


Nach mehr als 20 Jahren Schulversuch haben die Grünen und die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ die "Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für jene Schüler beschlossen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen". So formulierte es der ORF in einer wenig verklausulierten Jubelmeldung seines Religionsressorts, in der vor allem der Position der Katholischen Kirche Platz eingeräumt wurde. Dass nach diesem Etappensieg der anerkannten Kirchen - die nicht-christlichen Religionsgemeinschaften sind nicht mitgemeint - die Religionslehrer in Zukunft auch Ethik unterrichten sollen, versteht sich aus deren Perspektive von selbst.

Es ist so absurd, wie es klingt. Während andere konfessionell gebundene Formen des Religionsunterrichts einander ausschließend sind - eine islamische Religionslehrerin kann etwa nicht zusätzlich evangelischen Unterricht abhalten -, soll das bei der Kombination aus Ethik und Religion kein Problem sein? Diese Logik ist erstaunlich, weil der verpflichtende Ethikunterricht ja ganz offensichtlich als Alternative wie ein weiterer Religionsunterricht für jene eingeführt wurde, die sich von diesem abmelden wollen. Und diejenigen, die nie vorhatten, einen Religionsunterricht zu besuchen, werden jetzt einfach mitgenommen.

Ethikunterricht folgt keiner dogmatischen ideologie

Der schwarz-grünen Regierung und vor allem den treibenden Kräften hinter diesem Gesetz ging es nie darum, Ethik als eigenständiges Unterrichtsfach zu etablieren, sondern die Abmeldungen vom Religionsunterricht zu reduzieren und die beiden Unterrichtsformen über Personalunionen einander anzunähern. Untermauert wird das insbesondere von Vertretern der Kirchen mit dem Argument, dass Religionsunterricht ohnehin schon wie Ethikunterricht geführt werde - übrigens sehr zum Leidwesen von konservativen Gläubigen.

Dieses Argument ist aus ganz prinzipiellen Gründen falsch. Abgesehen davon, dass es sich hier um eine Behauptung handelt, die wohl jeder Ethiklehrer brüsk zurückweisen würde, ist es völlig unerheblich, ob der Religionsunterricht in der Praxis einem Ethikunterricht gleicht. Zwischen diesen beiden Fächern steht eine intellektuelle Feuermauer. Ethik ist weder Ersatz für Religion, noch folgt der Unterricht einer dogmatischen Ideologie. Der Religionsunterricht hingegen ist immer als religiöse Unterweisung zu sehen. Das ist sein Kernauftrag (Missio canonica).

Wer, wie aktuell zum Beispiel der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Rudolf Taschner, an dieser Stelle die Argumentation bemüht, Religion werde ohne Integration in den Schulbetrieb "in Hinterhöfen unterrichtet" und entfalte dort gefährliche Wirkung, insinuiert damit, dass religiöse Indoktrination, die später einmal zu religiös motiviertem Terror führen kann, besser in der Schule abgeführt wird.

Dieses oft vorgebrachte Argument, Religionsunterricht im kooperativen Modell von Republik und Religion so "entschärfen" zu wollen, ist als weiteres Indiz zu werten, dass mit der Einführung des Ethikunterrichts primär der Erhalt religiöser Unterweisung in der Schule bezweckt wird.

Das Identifikationsverbot des weltanschaulich-religiös neutralen Staats zu brechen, um das schädliche Potenzial von Religion in einem konfessionellen Unterricht im Ermessensspielraum der Religionen selbst entschärfen zu lassen, ist absurd. Die Schule ist mit Sicherheit der falsche Ort, Ideologien zu vermitteln, die sich der Erkenntnis nach wissenschaftlicher Methode per definitionem entziehen, Frauen und Homosexuelle abwerten und nach Einschätzungen vieler offensichtlich auch prototerroristische Aufhetzung (Hinterhöfe) verfolgen.

Religionsunterricht spaltet

Die staatlich legitimierte Unterweisung in religiösen Denkmustern ist nicht nur pädagogisch bedenklich, sie wirkt auch sozial destabilisierend. Konfessioneller Religionsunterricht spaltet den Klassenverband nach dem Religionsbekenntnis der Eltern. Ein gemeinsamer Unterricht in weltanschaulichen Grundlagen und kritischem Denken findet auch mit der Einführung des Ethikunterrichts in der geplanten Form nicht statt. Das Schulsystem benachteiligt längst nicht mehr nach Herkunft, Haarfarbe, Geschlecht, sexueller oder politischer Orientierung, aber es wirkt weiterhin differentialistisch in Bezug auf die Weltanschauung.

Die Religion darf nicht aus der Schule verschwinden, aber sie soll im Unterricht - wie auch politische Ideologien - nur aus einer Außensicht vermittelt werden, in den Fächern Geschichte, Philosophie und natürlich Ethik. Nur ein gemeinsamer verpflichtender Ethikunterricht für alle kann dazu beitragen, die religiöse Ideologisierung von Kindern zumindest soweit zu verschieben, bis sie ihre Religionsmündigkeit im Alter von 14 Jahren erreicht haben und sich selbst aktiv dafür entscheiden.