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Digitale Verwaltung auf Europäisch

Von Margrethe Vestager, Thierry Breton und Johannes Hahn

Gastkommentare

Das Ziel ist klar: Dieses Jahrzehnt wird unsere Digitale Dekade. Dafür gilt es auch, eine echte Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen in ganz Europa aufzubauen.


Die Covid-19-Pandemie hat deutlich gemacht, wie stark wir von digitalen Technologien abhängig sind. In den kommenden sieben Jahren wird die EU Mittel in beispielloser Höhe für die Entwicklung einer starken digitalen Wirtschaft in Europa zur Verfügung stellen. Über unseren Aufbau- und Resilienzfonds werden die Mitgliedstaaten mehr als 137 Milliarden Euro in die Digitalisierung investieren. Zusätzlich werden im Rahmen unserer Kohäsionspolitik umfangreiche Investitionen getätigt, und bis zu 30 Milliarden Euro stehen für verschiedene andere EU-Programme zur Verfügung. Gemeinsam werden wir Supercomputer und neue Technologien, sichere Konnektivität und vertrauenswürdige Daten entwickeln und einsetzen und die digitalen Kompetenzen der Europäerinnen und Europäer, die unser größter Trumpf sind, stärken. Das Ziel ist klar: Dieses Jahrzehnt wird unsere Digitale Dekade.

Für den Erfolg dieses gemeinsamen Projekts wird die Einbindung des öffentlichen Sektors entscheidend sein - eine digitale Wirtschaft und eine analoge Verwaltung sind nicht kompatibel. Wir können öffentliche Dienstleistungen und den Gesetzesvollzug nicht per Fax abwickeln, während Tech-Giganten - und auch Cyber-Kriminelle - Künstliche Intelligenz nutzen.

Es ist darum sehr zu begrüßen, dass sich die Ministerinnen und Minister der 27 EU-Staaten dazu bekennen, in einen wertebasierten digitalen Wandel der Verwaltung zum Nutzen aller Menschen in Europa zu investieren. Die Berliner Erklärung dient uns als Fahrplan, um kommendes Jahr eine gemeinsame Strategie für digitale Verwaltung in Europa zu entwickeln. Nun, da wir unseren Plan zu Papier gebracht haben, müssen wir ihn auch in die Tat umsetzen. Verwaltungen in ganz Europa durchlaufen langsam aber sicher einen dramatischen technologischen Wandel. Wie die Pandemie deutlich gezeigt hat, können wir es uns nicht leisten, diesen Prozess weiter aufzuschieben. Die Herausforderung besteht nun darin, dafür zu sorgen, dass der Wandel zu unseren Bedingungen verläuft. Digitale öffentliche Dienstleistungen müssen von hoher Qualität, interoperabel, benutzerfreundlich und inklusiv sein, und wir müssen dafür sorgen, dass der öffentliche Sektor online genauso sicher, vertrauenswürdig und in europäischen Regeln verankert ist wie offline.

Kontrolle über den eigenen digitalen Fußabdruck

Für uns heißt das, dass Menschen in diesem Prozess im Mittelpunkt stehen müssen. Die Menschen in der EU sollten Zugriff auf eine einfache und sichere elektronische Identifikation haben, die in allen 27 Mitgliedstaaten und wo immer eine Online-Authentifizierung gefordert wird, Gültigkeit hat. Alle Europäerinnen und Europäer sollten die Kontrolle über ihren eigenen digitalen Fußabdruck haben und selbst entscheiden können, welche Daten sie zu teilen bereit sind - und welche nicht. Besonders wichtig ist auch ein auf den Menschen ausgerichteter Ansatz für die Entwicklung und Nutzung Künstlicher Intelligenz und neuer Technologien, insbesondere jetzt, da öffentliche Einrichtungen beginnen, auf diesem Gebiet aktiv zu werden.

Wir schaffen gemeinsame Datenräume für den Datenaustausch zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor, damit wir das Beste aus den für Menschen und Unternehmen so wertvollen Daten herausholen können, und zwar auf sichere und transparente Weise. Und schließlich sollten digital souveräne Verwaltungen mit unseren Daten unter optimalen Sicherheitsbedingungen im Einklang mit europäischen Regeln arbeiten können.

Um diese wichtigen Ziele zu erreichen, müssen wir mit den nationalen Verwaltungen zusammenarbeiten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das einheitliche digitale Zugangstor. Es gilt, eine echte Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen in ganz Europa aufzubauen. Dazu gehören insbesondere gemeinsame Investitionen in die wesentlichen Instrumente, auf deren Grundlage jede lokale Verwaltung eigene Lösungen entwickeln, eigene Bedürfnisse decken und gleichzeitig sektor- und grenzübergreifend vernetzt bleiben kann. Das Schlüsselwort ist Interoperabilität - sie ermöglicht es uns, auch in der digitalen Welt in Vielfalt geeint zu sein.

Sichere und souveräne Cloud-Dienste nach EU-Regeln

Innerhalb der EU-Kommission setzen wir uns ebenfalls für diesen Wandel ein. Erst kürzlich haben wir unsere eigene Open-Source-Software-Strategie veröffentlicht, damit wir unseren Code, unsere Daten und unsere Tools in gemeinsamen Datenspeichern entwickeln und austauschen und mehr Autonomie erlangen können. Wir schaffen Möglichkeiten, die Beschaffung sicherer und souveräner Cloud-Dienste auszuweiten, die den Regeln der EU voll und ganz entsprechen. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um den Einsatz menschenzentrierter Künstlicher Intelligenz in unserer täglichen Arbeit geht.

Andere öffentliche Stellen werden diesen Weg hoffentlich mit uns gehen. Die Frage ist nicht, ob sich etwas ändert oder nicht, sondern, ob die Veränderung unseren Werten folgt und zu unseren Bedingungen passiert.