Zum Hauptinhalt springen

Steigende Zinsen am Ende der Pandemie?

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien bei der Steiermärkischen Sparkasse.
© Steiermärkische Sparkasse / Thomas Raggam

Geldmenge und Angebotsknappheit wären Treiber - die Rechnung käme dann im nächsten Jahr.


Steigende Zinsen sind zwar aktuell recht unwahrscheinlich, dennoch gibt es mögliche Szenarien, in denen sie am Ende der Pandemie stärker steigen, als das viele aktuell erwarten. Dies wäre denkbar, wenn die Inflation aus einer Angebotsknappheit und aus einer anhaltend aufgeblähten Geldmenge heraus nach oben geht. Sollte nach der Krise die wirtschaftliche Erholung abrupt und damit rasch eine starke Nachfrage einsetzen, könnten die Unternehmen, die dann fast zwei Jahre durch die Pandemie gelitten hätten, diese mit kräftigen Preiserhöhungen beantworten. Zusätzlich wird es Anfang des kommenden Jahres schon allein durch den Basiseffekt aufgrund der niedrigen Rohölpreise ab Frühjahr 2020 zu einer etwas höheren Inflationsrate kommen. Zarte Hinweise auf möglicherweise höhere Zinsniveaus kommen auch aus den USA, wo im langfristigen Bereich leichte Anstiege zu beobachten sind.

Gleichzeitig träfe diese Entwicklung auf die ohnehin immens aufgeblähte Geldmenge. Erst vor kurzem hat die EZB angekündigt, wegen der Pandemie und der rückläufigen Inflationserwartung das bisher schon extrem offensive Programm der Geldmengenerhöhung durch Anleihekäufe um weitere 500 Millionen Euro auf unvorstellbare 1,85 Billionen Euro zu erweitern. Sie hat bereits heute eine Bilanzsumme von rund 7 Billionen Euro - oder ausgedrückt: Die geldpolitischen Maßnahmen zur Schaffung von Liquidität der vergangenen Jahre haben die Bilanzsumme um fast das Siebenfache wie zu Zeiten der Finanzkrise 2009 anwachsen lassen. Und ein Ende dieses Kampfes gegen die noch deflatorischen Anzeichen ist nicht absehbar.

Die EZB wäre gut beraten, diese überschüssigen Liquiditätsmengen, vor allem bei starkem Einfließen in den Wirtschaftskreislauf, rasch wieder aufzusaugen, wenn der Markt sie nicht mehr benötigt. Gelingt dies aufgrund der Inhomogenität der Produktivität etwa in Italien, Griechenland und Portugal sowie der Verschuldung in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausreichend, so kann das die Inflation schneller und stärker als aktuell vermutet in die Höhe treiben. Die EZB sollte - unabhängig von politischen Forderungen - konsequent die Geldwertstabilität weiter in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen.

In Österreich braucht es nach der Pandemie neben einer strikten Budgetpolitik auch eine weitere Stärkung der Produktivität. Beide Übungen sind Österreichs Politik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren vor Corona sehr gut gelungen. Diese Anstrengungen wurden auch von den Ratingagenturen gewürdigt. Österreich bekam von Standard & Poors im September 2020 mit AA+ weiterhin das zweitbeste Rating. Damit bleiben die Zinsbelastungen für die Schulden der Republik historisch niedrig, was helfen wird, die Verschuldungsmisere rasch wieder ins Lot zu bringen. Hinzu kommen die positiven Einschätzungen der Wirtschaftsforscher, die nahezu einheitlich für das Ende der Pandemie eine kräftige Erholung des BIP prognostizieren. Gelingt es, in dieser dann folgenden Boomphase die Neuverschuldung stark zu drosseln oder sogar Überschüsse zu erzielen, kann die Verschuldungsquote kräftig gesenkt werden.