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Öko-soziale Pendlerförderung für nachhaltige Mobilität

Von Gerd Sammer

Gastkommentare
Es bieten sich zwei Modelle einer öko-sozialen Pendlerförderung an, meint Gerd Sammer: Ein Pendlerbonus und ein Mobilitätsbonus.
© Unsplash, Andrew Roberts

Aus klimapolitischer Sicht ist die heutige Pendlerförderung kontraproduktiv.


Die Bundesregierung plant eine Ökologisierung der Steuern inklusive Verkehrssektor. Einen maßgebenden Ausgabenanteil stellt die Pendlerförderung mit 1,7 Milliarden Euro pro Jahr dar. Die derzeit geplanten Maßnahmen sind keinesfalls ausreichend, um die Klimaziele zu erreichen. Die Entwicklung der verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen in Österreich zeigt in den vergangenen Jahren eine Zunahme, mit 24 Millionen Tonnen im Vorjahr. Die Prognose der für Österreich geplanten Maßnahmen ergibt für 2030 eine Zielüberschreitung von 7 Millionen Tonnen (46 Prozent) und für 2050 von 18 Millionen Tonnen - unter sehr optimistischen Annahmen. Sie enthält keine Push-Maßnahmen, sondern nur Förderungen.

Eine nötige, aber alleine nicht ausreichende Voraussetzung zur Erreichung der Klimaziele ist eine öko-soziale Steuerreform für den Verkehrssektor mit einer öko-sozialen Pendlerförderung. Die aktuelle zeigt eine schwer überschaubare Vielzahl an Förderungen wie Verkehrsabsetzbetrag und Pendler-Euro, die eine Reduktion der Lohnsteuer von Arbeitnehmern bewirken. Das kleine und das große Pendlerpauschale reduzieren die Steuerbemessung und sind, so wie die Abschreibung der Pendlerausgaben für Selbständige, abhängig vom Einkommen. Zusätzlich gibt es Pendlerbeihilfen der Länder und Firmen. Die Förderung ist für Arbeitnehmer und Selbständige bei gleicher Entfernung unterschiedlich hoch. Sie berücksichtigt kaum ökologische Ziele oder faire soziale Verteilung.

Aus klimapolitischer Sicht ist die heutige Pendlerförderung kontraproduktiv. Die Zielsetzungen einer öko-sozialen Pendlerförderung sind: Vereinfachung, nachhaltige Verkehrsentwicklung, Budgetneutralität, voraussehbare Steigerung der Kosten für klimaschädliches und Belohnung für klimaneutrales Verhalten, schrittweise Herstellung von Verursacherfairness der externen Kosten.

Es bieten sich zwei Modelle einer öko-sozialen Pendlerförderung an: Ein Pendlerbonus erhöht, ausgehend von der bestehenden Pendlerförderung, die öko-soziale Wirksamkeit. Er wird abhängig von der Pendeldistanz und der Zumutbarkeit der Öffi-Verbindung, jedoch unabhängig vom Einkommen berechnet. Er stellt auf einen direkten Förderbetrag um, ist rasch umsetzbar und aufkommensneutral für Pendler und Budget. Die ökologische Wirksamkeit verstärkt eine jährliche Senkung des Pendlerbonus für Fahrzeuge mit fossilem Antrieb bis 2030. Pendler, die auf klimaneutrale Verkehrsmittel umsteigen, erhalten mehr als bisher, jene mit fossil angetriebenen Pkw deutlich weniger.

Ein Mobilitätsbonus kombiniert die Förderung durch den Pendlerbonus mit einer neu einzuführende Umwelt- und Klimaabgabe auf fossile Treibstoffe. Die Höhe wird beginnend mit 2022 mit einer jährlichen Steigerung bis 2030, etwa als Zuschlag zum Treibstoffpreis von 5 Cent je Liter und Jahr, vorgeschlagen. Der Treibstoffpreis würde damit bis 2030 um 50 Cent steigen. Diese Erhöhung entspricht der Reduktion der externen Kosten für Pkw auf das Niveau des öffentlichen Verkehrs im Sinne eines fairen Verkehrsmittelwettbewerbes. Die Verkehrsteilnehmer können in diesem Übergangszeitraum ihre Mobilität klimaneutral umstellen und entkommen so der Umwelt- und Klimaabgabe. Die Einnahmen werden zur Kompensation als Mobilitätsbonus unter der gesamten Bevölkerung als Mobilitätsgrundsicherung verteilt, wobei der Pendlerbonus inkludiert wird. Damit wird die öko-soziale Steuerungskomponente auf alle Verkehrszwecke erweitert.

Für eine rasche Realisierung bietet sich der Pendlerbonus an. Der effektivere Mobilitätsbonus erfordert einen höheren Überzeugungsaufwand. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist ein bewusstseinsbildender Planungsprozess unter Einbeziehung der Bevölkerung, aller Stakeholder und der Entscheidungsträger erforderlich. Keine Entscheidung für eine öko-soziale Steuerreform im Verkehrssektor zu treffen, ist freilich auch eine Entscheidung: nämlich weitermachen wie bisher. Wollen wir das?

Dieser Gastkommentar fasst das Diskussionspapier der österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) zusammen, das hier frei downloadbar ist.

Gerd Sammer ist emeritierter Professor am Institut für Verkehrswesen an
der Boku sowie Geschäftsführer der Sammer & Partner ZTGmbH
(ZIS+PVerkehrsplanung).