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Jesus und Muhammad - gemeinsam unterwegs

Von Abualwafa Mohammed

Gastkommentare
Abualwafa Mohammed ist promovierter Religionspädagoge und interkultureller Experte. Er steht für einen zeitgemäßen und europäischen Islam (www.abualwafa.at).
© privat

Der Dienst an Menschen sollte uns alle verbinden.


Die Weihnachtszeit ist eine Zeit, in der wir - alle - über gemeinsame Werte reden, aber vor allem auch diese leben sollten. Jesus und Muhammad haben Parallelen, die eine positive Auswirkung auf das Zusammenleben haben können, denn sie sind nicht nur zwei religiöse Größen, sondern wirkten und wirken immer noch auf viele Menschen ein. Trotz des ungleichen Offenbarungsverständnisses haben beide gemeinsame Werte und Ziele: Menschendienst, Liebe und Frieden. Sie waren zu diesen Zielen beide unterwegs.

Mit ihrem humanistischen Handeln sind sie nicht nur innerhalb der jeweiligen Glaubensgemeinschaften bedeutend, sie können als Inspirationsquelle für alle Menschen, seien sie religiös oder nicht, dienen. Aus dieser Perspektive heraus schreibe ich. Jesus baut für mich beispielsweise eine Brücke der Verständigung zu vielen Menschen und wirkt auf mich als spirituelle Kraft. Die gemeinsamen Ziele von Jesus und Muhammad und ihre jeweiligen Wege liefern uns Bilder, die uns nicht nur beim interreligiösen Dialog helfen können, sondern auch für unser Menschenbild von großem Nutzen sind und uns näher zueinander bringen sollen.

Jesus und Muhammad haben die Menschen geliebt und für sie gelebt. Jesus sagt: "Ich bin gekommen, um die Welt zu retten." (Johannes 12:47) Im Islam heißt es über den Propheten Muhammad, dass er als "Barmherzigkeit" für die Welt gesandt wurde. (Koran 21:107)

Vergebung gerade dann, wenn es am schwierigsten ist

Zu ihren gemeinsamen Werten gehört Vergebung und das gerade dann, wenn es am schwierigsten ist. Als Jesus das größte Unrecht geschah, sprach er: "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." (Lukas 23:34) Dasselbe Gebet sprach, laut Überlieferung, auch Muhammad für seine Gegner: "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht." (Buchari)

Weihnachten ist auch eine Zeit des Teilens und der Nächstenliebe. Zu diesem Thema tätigte Jesus seine bedeutende Aussage: "Liebe deine Nächsten wie dich selbst. Und Muhammad bekräftigte: "Du bist erst gläubig, wenn du für deine Nächsten liebst, was du für dich selbst liebst." Im Evangelium heißt es: "Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso." (Lukas 3:11) Von Muhammad wird überliefert: "Wer zwei Mahlzeiten hat, soll jenem geben, der keine hat, und wer zwei Gewänder hat, soll jenem eines geben, der keines hat." (Muslim)

Ermutigung, Trost, Hoffnung und Selbstvertrauen

Menschen brauchen in schweren Zeiten, in denen ihre Schwächen sichtbar sind, Ermutigung, Trost, Hoffnung und Stärkung des Selbstvertrauens. Man findet viele Gemeinsamkeiten zwischen der Aussage Jesu: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie", und der Aussage Muhammads über einen "sündigen" Mann: "Lasst ihn, denn ich weiß, dass er im Herzen viel Liebe trägt." (Buchari)

Für uns Menschen ist es immer belastend, Ungerechtigkeit oder Leid ertragen zu müssen. In dieser Situation denkt man schnell einmal an Rache und daran, "zurück zu hassen", was aber in erster Linie dem eigenen Herzen und der eigenen Psyche schadet. "Ich, aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen", rät Jesus. (Matthäus 5:44) Ein guter Anhaltspunkt ist auch Muhammads Rat: "Soll ich euch die edelste Charaktereigenschaft sagen? Vergebt jenen, die euch Unrecht antun, und seid gütig zu jenen, die nicht gütig zu euch sind." (al-Haakim).

Das gemeinsame Unterwegssein hat für mich persönlich eine zusätzliche Bedeutung. "Gemeinsam unterwegs" ist auch der Name eines schulischen Projekts, das ich seit sieben Jahren mitgestalten darf. Bei diesem Projekt besuchen alle Schülerinnen und Schüler der 9. Schulstufe an einem Tag gemeinsam fünf Gotteshäuser (vier Kirchen verschiedener Konfessionen und eine Moschee) und gehen so aufeinander zu.

In der Weihnachtszeit sehe ich Jesus und Muhammad gemeinsam unterwegs. Sie sind durch ihre noblen Werte lebendig unter uns. Auch wir sind gemeinsam unterwegs; und das in einer nicht ganz einfachen Zeit. Zusammenhalt und der Dienst am Menschen haben gerade jetzt eine ganz besonders zentrale Bedeutung. Stellen wir also das Gemeinsame vor das Trennende. Nähern wir uns gedanklich und seelisch unseren Mitmenschen, auch und gerade in dieser Zeit, in der physischer Abstand angesagt ist.