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E-Impfpass kommt früher - er könnte längst da sein

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Manches dauert in Österreich, bis es kommt. Aber es kommt. Vielleicht.


Es musste also erst eine Pandemie kommen, damit tatsächlich etwas weitergeht. Die bevorstehenden Corona-Impfungen sowie die bereits laufenden Influenza-Impfungen werden nämlich als Grund genannt, die Einführung des elektronischen Impfpasses vorzuziehen. Seit Ende Oktober laufen dazu erste Pilotprojekte.

Es hat ja nur 15 Jahre gedauert. Genauso lange haben wir nämlich die E-Card, die im Dezember 2005 den Krankenschein ablöste. Eine tolle Innovation, keine Frage. Bloß könnte man die vielen versprochenen Möglichkeiten schon lange ausschöpfen. Der archäologische Befund zeigt: Die Krankenkassen luden am 8. April 2008 zum Pressegespräch "Alle Impfungen auf einen Klick - mit dem elektronischen Impfpaß" (sic!). Laut GfK-Umfrage waren damals 64 Prozent der Bevölkerung für eine automatische Verbindung von Impfpass und E-Card. Aber gut Ding will Weile haben, und was sind schon knapp 13 Jahre?

Detail am Rande: Ursprünglich hatte in Wien der Gesundheitsstadtrat den E-Impfpass schon für 2020 versprochen. Der Gesundheitsminister lobte nun diesen Freitag das Tempo der Regierung, denn "man hatte ja vor kurzem noch davon geträumt, ihn 2030 einzuführen".

Wien startete übrigens im September 2003 - vor bloß 17 Jahren - ein Service, das via E-Mail an fällige Impfungen erinnerte. Das Ganze wurde halt irgendwann wieder still und heimlich abgestellt. Vielleicht war der Datenschutz schuld oder waren Haftungsfragen ungeklärt - oder bei der MA 15 ist bloß der zuständige Beamte in Pension gegangen. Oder aber man wollte dem Bürger einfach nicht zumuten, Impfungen selbst im System einzutragen, weil der so viel Verantwortung gar nicht selbst tragen kann.

Die Elektronische Gesundheitsakte (Elga) lässt solche Eigenverantwortungsflausen erst gar nicht aufkommen. Eingespielt wird nur, was die Systemverantwortlichen wollen. So berichtet ein verärgerter Bandscheibenpatient, der angesichts zweier OPs seine alten Befunde einscannen und hochladen wollte, um sich beim nächsten Gang zum Arzt Mühen zu ersparen, dass ihm beschieden wurde: Rückwirkend wird ins System gar nichts aufgenommen. Aber auch akut wird offenbar ausgesiebt: Selbst sein aktueller MR-Befund wurde nicht in die Elga eingespielt. Dafür hat er vom Institut die Bilder digital mitbekommen - inklusive Abspielsoftware.

Aber was erwartet man in einem Land, in dem mitunter im selben Spital die eine Abteilung nicht die Daten eines Patienten einer anderen abrufen kann? (Wahrscheinlich schlägt auch hier der Datenschutz zu.) Und in dem Ärzte auf die Barrikaden gegen Elga steigen, damit bloß keiner mitlesen kann. Vor den Patienten ist das System sowieso sicher - oder haben Sie schon einmal versucht, sich selbständig einzuloggen? Viel Spaß dabei.

Der Spaß hört allerdings auf, wenn es um Leben und Tod geht. So wie bei einem Fünfjährigen, der voriges Jahr nach einer Mandeloperation verblutet ist. Dessen Vater glaubt, die OP hätte womöglich gar nicht erst stattgefunden, hätte man im Spital bei der Indikationsstellung einen Blick in die Krankenakten bei Haus- und Kinderarzt werfen können. Denn laut denen waren die Mandeln vielleicht gar nicht oft genug entzündet, um die Tonsillotomie zu rechtfertigen.