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Go east

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

China bemüht sich auch in der Wissenschaft um internationale Spitzenkräfte. Der Westen braucht eine Strategie, um die eigenen Talente zu halten und die besten Köpfe aus der ganzen Welt anzuziehen.


Ein chinesisches Sprichwort besagt: "Wissen ist ein Schatz, der seinem Besitzer überall hin folgt." Das dachte sich wohl auch Nikos Logothetis, ein weltweit führender, deutscher Neurowissenschaftler, als er im letzten Jahr einen Ruf nach China annahm. In Shanghai wird für ihn ein neues "International Center for Primate Brain Research" errichtet.

Ermöglicht wurde dies durch die aggressiven Bestrebungen Chinas, international Spitzenkräfte aus Wissenschaft, Technik und dem Unternehmertum anzuheuern. So verfolgt etwa der "1000-Talente-Plan" der chinesischen Zentralregierung zwei maßgebliche Ziele. Zum einen sollen chinesische Talente, die im Ausland ausgebildet wurden, zur Rückkehr in die Heimat bewogen werden. Zum anderen werden ausländische Top-WissenschaftlerInnen für chinesische Universitäten und Forschungseinrichtungen angeworben. Diese Aktivitäten werden im Westen kritisch beäugt. Speziell die USA und Kanada befürchten Spionage und den Diebstahl geistigen Eigentums.

Politische Anstrengungen, um Hochqualifizierte in das eigene Land zu locken, sind nicht neu. Bereits im 14. Jahrhundert verfolgte die englische Krone eine attraktive Einwanderungspolitik, um flämische Facharbeiter für die Textilproduktion zu gewinnen und damit sie "die Einheimischen in der Textilverarbeitung unterweisen", wie es eine Petition der Bürgerlichen im englischen Parlament ausdrückte. Auch die Habsburger haben im Rahmen der sogenannten Schwabenzüge gut ausgebildete Handwerker gezielt im Banat und anderen südöstlichen Gebieten der Monarchie angesiedelt.

In Europa und Österreich mangelt es weitgehend an Programmen, mit denen man den "Wettbewerb um die besten Köpfe" aufnehmen könnte. Im Gegenteil, oft finden WissenschaftlerInnen bei uns keine guten Bedingungen vor. So wurde Nikos Logothetis wegen seiner Arbeit an Primatengehirnen von Tierschützern angefeindet und medial scharf kritisiert. Seine Forschungstätigkeit wurde dadurch massiv beschädigt. Deshalb verlässt er Deutschland in Richtung China und er geht nicht allein: "Ich werde mit 25 Leuten aus meinem Team dort anfangen. Und mache, was ich bisher gemacht habe, nur in viel größerem Stil."

Den Wert der Wissenschaft sollte uns Covid-19 gelehrt haben. Gelingt es uns nicht, ihr gute Rahmenbedingungen zu bieten und so die eigenen Talente und Spitzenkräfte zu halten und die besten Köpfe aus der ganzen Welt anzuziehen, werden wir weder technologisch noch wissenschaftlich wettbewerbsfähig bleiben und auch ökonomisch zurückfallen.

Noch befinden sich die renommiertesten Forschungseinrichtungen in der westlichen Welt. Das muss nicht so bleiben. Es ist zu begrüßen, dass China auch auf wissenschaftlichem Gebiet aufholt und so einen größeren Beitrag zum Fortschritt leistet. Aber es ist auch Vorsicht geboten. China will in der Wissenschaft, wie in anderen Bereichen auch, weltweit führend werden. Es wird dabei erfolgreich sein und den Westen als Hegemon der Wissenschaft ablösen, wenn wir uns keine passende Strategie zurechtlegen. Dann gibt das Regime in Peking vor, in welche Richtung sich die Wissenschaft global entwickelt.

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