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Plagiat und Kauderwelsch

Von Hans Pechar

Gastkommentare
Hans Pechar war Professor für Hochschulforschung an der Alpen Adria Universität.
© privat

Die Affäre um Christine Aschbacher macht systematische Probleme der akademischen Welt deutlich sichtbar.


Das gespannte Verhältnis Christine Aschbachers zur deutschen Sprache war jedem bekannt, der sich auf die mühsame Suche nach dem Sinn ihrer ministeriellen Äußerungen begab. Aber erst die Veröffentlichung einiger Passagen ihrer Abschlussarbeit hat dem Aschbacher-Kauderwelsch Kultstatus verliehen. Und da die in korrektem Deutsch formulierten Textmodule dieser Arbeit nicht von ihr stammen, sondern geklaut sind, war ihr Rücktritt auch durch türkise Message Control nicht zu verhindern. Immerhin konnte die Plagiatsserientäterin gestoppt werden, bevor sie in Belarus ihre Habilitationsschrift einreichte.

Das österreichische Kabarett wird sich noch lange mit den Seepocken beschäftigen. Der Hochschulpolitik stellen sich ernstere Fragen. Die bekannt gewordenen Plagiate sind ja nur die Spitze eines riesigen Eisbergs. Niemand hätte sich für ihre Abschlussarbeit interessiert, hätte Aschbacher nicht ministerielle Höhen erklommen. Das Mitleid mit fälschenden Promis, die im Fokus der Plagiatsjäger stehen, hält sich in Grenzen, aber nicht nur sie gefährden die Integrität des akademischen Systems. Und hätte die glücklose Ministerin nicht selbst zur Feder gegriffen, sondern einen (der deutschen Sprache mächtigen) Ghostwriter beauftragt, wäre der Betrug vermutlich unentdeckt geblieben.

Eine Patentlösung ist nicht in Sicht. Mit einem flächendeckenden Einsatz von Plagiatssoftware wird man zumindest plumpen Fälschungen auf die Spur kommen. Das gesamte akademische Personal wird aber kaum zu virtuosen Plagiatsjägern werden. Dass die jüngste Novelle zum Universitätsgesetz das Ghostwriting zu einem Straftatbestand macht, wird die Preise in die Höhe treiben und die Nachfrage vermutlich senken (beziehungsweise zu einem Privileg der Wohlhabenden machen). Das ernsteste Problem ist freilich die schludrige Qualität. Die dadaistischen Wortkaskaden Aschbachers hätten auch dann keine akademischen Würden verdient, wären sie nicht in einem Meer aus Plagiaten eingebettet. Wollte der Betreuer der Abschlussarbeit sein schlechtes Gewissen, die Arbeit nicht gelesen zu haben, mit der Verleihung einer Auszeichnung beruhigen?

Die Nachlässigkeit einzelner Hochschullehrer ist eine Sache, die systematischen Probleme sind eine andere. Die akademische Welt hat noch keinen Weg gefunden, die Qualitätssicherung ihrer Ausbildung an die veränderten Rahmenbedingungen eines expandierenden Massenhochschulsystems anzupassen. Provokant formuliert: Es wird zu viel geschrieben. Wer einen Beruf in der Forschung anstrebt, muss die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Kommunikation mittels Master- beziehungsweise Doktorarbeit selbstverständlich nachweisen. Aber gilt das auch für den wachsenden Teil jener Hochschulabsolventen, die nicht in die Forschung gehen? Sie verbringen Jahre ihres Lebens mit dem Verfassen von (zumeist mediokren) Abschlussarbeiten, die nie jemand lesen wird - gelegentlich nicht einmal ihr akademischer Betreuer. Ist das wirklich die beste Art, die während des Studiums erworbenen Fähigkeiten zu überprüfen?