Die Corona-Krise ist noch länger nicht vorbei. Das nur langsame Anrollen der Impfwelle erfordert weiterhin (auf Dauer?) beschränkende Maßnahmen. Vor dem Herbst ist mit einer Aufschwungstimmung, die auf realen Verbesserungen beruht, nicht zu rechnen. Die neben Corona schwelenden Umwelt-/Klima- und sozialen Krisen (Ausgrenzung, Verarmung) drängen weiter nach Bewältigung. Der Aufschwung wird langwierig und schwierig sein und muss neue Wege einschlagen. Vor der Bundesregierung liegen wahrhaft herkulische Aufgaben. Dabei ergeben sich folgende Fragen, auf die in Österreich bisher Antworten fehlen:

Arbeitslose
und Kurzarbeit

Die bisherigen Corona-bedingten Einschränkungen sind bis etwa Ende Jänner konzipiert, einige finanzielle Hilfsmaßnahmen bis Ende des ersten Quartals. Was plant die Regierung für die Zeit danach? Wie wird sie mit der riesigen Zahl der Arbeitslosen und Kurzarbeitnehmern (insgesamt mehr als eine Million, ein Drittel der Arbeitskräfte!) umgehen, wie mit der drohenden Pleitewelle und den Risiken für das Bankensystem?

Aufbaupläne für den
EU-Finanzrahmen

Die Regierung hat sich bei der Erstellung des mittelfristigen EU-Finanzrahmens und der damit verbundenen Etablierung des EU Recovery Fund ("Next Generation") als führendes Mitglied der "Geizigen Vier" sehr restriktiv gezeigt. Als Grundlage für die den EU-Staaten jeweils zustehenden Gelder aus diesem Fonds (nicht rückzahlbare und niedrig verzinste rückzahlbare Geldströme) sind diese verpflichtet, bis spätestens Ende April je eigene Aufbaupläne der EU-Kommission zu übermitteln. Für Österreich geht es um 3 bis 4 Milliarden Euro. Bisher ist absolut nichts in der Öffentlichkeit bekannt, was die Regierung für einen solchen Plan vorhat, nicht einmal, welches Ministerium für Erstellung und Übermittlung verantwortlich ist und wie das mit der Öffentlichkeit diskutiert werden soll. Es ist höchste Zeit, dies in Gang zu setzen und Österreichs Pläne für grüne und digitale Investitionen (Ziel des EU-Plans) öffentlich zu diskutieren. Sonst ist dieses Geld für Österreich verloren.

Ökologischer
Wiederaufbau

Der inklusive und ökologisch tragfähige Wiederaufbau der Wirtschaft steht an. Die Bekämpfung der Klima- und Umweltkrise und eine weniger polarisierende Verteilung von Einkommen, Vermögen und Lebenschancen sind die dringendsten Hauptaufgaben. Dies muss durch eine Verstärkung der Versorgung der Bevölkerung mit den vom freien Markt vernachlässigten öffentlichen Gütern (Volksgesundheit, Kampf dem Klimawandel, gute Beschäftigung für alle) geschehen. Diese Anliegen sollten verstärkt in die Anti-Corona-Maßnahmen eingebaut werden, die derzeit auf Wiederherstellung/Kompensation der Verluste aus den "alten" Strukturen gerichtet. Damit wird sehr viel öffentliches Geld für in Zukunft nicht tragfähige Strukturen vergeudet. Was plant die Regierung in dieser Richtung?

Umschulungen in
wichtige Zukunftsjobs

Die hohe Arbeitslosigkeit ist nur zum Teil durch die Beschränkungen der Corona-Bekämpfung bedingt, zu einem großen Teil längerfristig (strukturell). Eine groß angelegte Kampagne der Regierung in Richtung Umschulungen für Arbeits- und Beschäftigungslose in Richtung Pflegeberufe, Erziehung, Umwelttechnologie und -wartung sowie Digitalisierung, verbunden mit Jobgarantien nach Absolvierung der Ausbildung im Bereich der öffentlichen Hände, vor allem bei Ländern und Gemeinden, kann sowohl die Arbeitslosenzahlen senken als auch heimische Defizite in wichtigen Dienstleistungs- und Zukunftsbereichen abdecken. Was hat die Regierung vor?

Bessere Einkommen
für Systemerhalter

Die Corona-Krise hat die polarisierende Einkommensverteilung verschlechtert: Besserverdiener haben ihre Einkommen gesichert und arbeiten von daheim, können sparen; schlechter Bezahlte können nicht von daheim arbeiten, haben Jobs verloren, arbeiten in Corona stärker ausgesetzten Berufen (Zusteller, Taxifahrer, Supermarktkassiererinnen und Einschlichter, Bauarbeiter, etc.). Viele Schlechtverdiener sind sogenannte Systemerhalter. Ihre Einkommen müssen verbessert werden: durch einen gesetzlichen Mindestlohn, höhere Einstiegslöhne in Kollektivverträgen, höhere Bezahlung von öffentlich Bediensteten und Vertragsnehmern der öffentlichen Hände. Das Steuersystem allein reicht nicht, wie die Verschlechterungen der vergangenen Jahre zeigen. Was plant die Regierung?

Gesundheitssystem
gegen Krisen rüsten

Das Gesundheitssystem, im Gegensatz zu vielen Nachbarländern noch immer weitgehend in (verschiedenen) öffentlichen Händen, hat bisher die Gesundheitskrise relativ gut gemeistert, allerdings zu hohen persönlichen Kosten und Risiken des gesamten Gesundheitspersonals. Den vielfachen Rufen des Rechnungshofes und internationaler Agenturen, die Zahl der Spitalsbetten zu reduzieren, kam man löblicherweise nur unzureichend nach (wenn auch nicht unbedingt aus gesundheitspolitischen, sondern eher machtpolitischen Überlegungen). Die Frage der Vorhaltung einer Krisenreserve an Ausrüstung, Betten und Personal ist durch Corona virulent geworden. Welche Überlegungen gibt es seitens der Verantwortlichen für die Zukunft?

Internationale
Kooperation

Die Corona-Krise hat gezeigt: Internationale Kooperation ist bei einer globalen Krise unerlässlich (Beschaffung von Schutzausrüstung und Testkits, rasche Impfstoffentwicklung und -verteilung). Trotz globaler Krise liegt die Verantwortung für die Bekämpfung primär auf nationaler Ebene. Der österreichische Weg der Schließung der Grenzen erweist sich in kleinen offenen Ländern mit hohem Handels-, Transit- und Tourismusanteilen und der Notwendigkeit ausländischer Arbeitskräfte (vor allem im Pflege- und Medizinbereich) als falsch. Wie geht die Regierung künftig bezüglich ihres Grenzregimes wie auch der Teilnahme an internationalen Kooperationsbemühungen vor?

Bedeutung der Kultur
für die Gesellschaft

Die "Kulturnation Österreich" ist durch Corona in einen Tiefschlaf mit möglichen Todesfolgen versetzt worden. Die großen Kulturinstitutionen werden mit Corona-Hilfen halbwegs durchtauchen, leben aber, wie auch die kleinen scheinselbständigen Ein- oder Mehrpersoneninitiativen, denen das gesamte Einkommen weggebrochen und erst spät und zu gering teilersetzt wurde, essenziell vom persönlichen Kontakt, von Auftritten. Ihre grundlegende Bedeutung liegt nicht bloß im ökonomischen Bereich, sondern im Selbstverständnis des Landes und ihrer enormen Wichtigkeit für die seelische und emotionale Gesundheit der Gesellschaft. Aufgrund der Fragmentierung vor allem der Kleininitiativen ist ihre Lobbykraft gering. Wie gedenkt die Regierung, diese "intellektuelle und emotionale Infrastruktur" des Landes aufrecht zu erhalten?

Umgang mit Chinas
neuer globaler Stärke

Das geopolitische Kräfteverhältnis hat sich massiv gewandelt, verstärkt durch die Corona-Krise. Asiens relatives Erfolg bei der Bekämpfung der Gesundheitsbedrohung wie auch der wirtschaftlichen Folgen, bei sich fast ungezügelt ausbreitendem Virus in den reichen Ländern des Westens und in Lateinamerika, vergrößert Asiens und besonders Chinas geopolitisches Gewicht. Gleichzeitig beginnen westliche Länder, sich gegen größeren Einfluss Chinas, vor allem in ihren je eigenen Ökonomien, zu wehren (Ankaufsbeschränkungen für chinesische Investoren). Gleichzeitig schließt die EU aber ein Investitionsabkommen mit China, das die Zugangsbeschränkungen für EU-Firmen in China nur unwesentlich verbessert und Chinas Verpflichtungen bezüglich Menschenrechten mit vagen Zusagen abtut. Damit unterläuft die EU die mögliche gemeinsame Front mit den USA, in einem gezielten Dialog mit China ein "level playing field" zu erreichen, das in den Brexit-Verhandlungen so eine herausragende Rolle gespielt hat. Von Österreichs Außenminister hört man hier nichts. Wie bringt sich Österreich in diese Diskussionen ein?

Herkules löste zwölf Aufgaben und sollte dafür zum Gott aufsteigen. Auch die Herausforderungen für Österreichs Regierung sind enorm. Der Preis dafür wird "nur" der Dank der Bevölkerung sein.