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Konzerne müssen haften

Von Veronika Bohrn Mena, Lena Schilling und Daniela Brodesser

Gastkommentare

Warum wir ein Lieferkettengesetz brauchen.


Wir kennen die Bilder von kleinen Kindern, die in Minen nach Gold schürfen oder in maroden Hallen in Bangladesch an Nähmaschinen sitzen. Von modernen Sklaven, die auf Plantagen unseren Kakao oder unser Obst und Gemüse ernten. Wir wissen auch, dass Tierarten wegen der Gier nach Palmöl vom Aussterben bedroht sind und der Regenwald für den Anbau von Soja gerodet wird. Wenn wir ehrlich sind, so ist uns im Grunde also durchaus bewusst, dass für die Herstellung von Lebensmitteln, Kleidung oder Rohstoffen andere den wahren, viel zu hohen Preis bezahlen. Viel zu viel von dem, was mittlerweile zu unserem Alltag gehört, wird unter Bedingungen erzeugt, die nicht ansatzweise unseren gesetzlichen Standards entsprechen. Dieses System basiert auf der Ausbeutung von Menschen, der Zerstörung der Natur und der Schädigung des Klimas. Es führt zu gewaltigem Schaden für viele Menschen und obszönen Gewinnen für einige wenige Konzerne. Das ist hinreichend dokumentiert. Aber ist dieses System alternativlos? Und ist die einzige Möglichkeit, uns zu wehren, der Verzicht?

Zunehmend regt sich Widerstand in immer mehr Ländern gegen Verantwortungslosigkeit und Profitgier. Oft sind europäische und auch in Österreich tätige Konzerne Nutznießer und Treiber des Raubbaus an Menschen und Umwelt, die nicht einmal ihre Steuern bei uns begleichen und so selbst hier keinen adäquaten Beitrag zur Gesellschaft leisten. Sie besitzen sogar die Frechheit, die Verantwortung dafür auch noch an uns Konsumenten zu delegieren, indem sie ihre schmutzigen Milliarden für Lobbying und PR verbrennen, um sich vor ihrer Verantwortung zu drücken. Nein, wir können ihr Fehlverhalten und weitere Schäden nicht über unser Konsumverhalten verhindern.

Wir brauchen stattdessen neue Regulative, um die Fahrlässigkeit und den skrupellosen Umgang der Konzerne mit der Welt zu beenden. Diese werden wir nur als Kollektiv erreichen, als mündige Bürger, die sich mit den Betroffenen von Ausbeutung und Zerstörung im globalen Süden solidarisieren und dafür sorgen, dass Konzerne hier an den Orten, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, für Schäden und Grausamkeiten haftbar gemacht werden, die sie und ihre Zulieferer verantworten.

Ein Lieferkettengesetz ist ein solches Instrument. Ein Gesetz also, das Konzerne verpflichtet, entlang ihrer globalen Lieferketten die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards zu wahren. Und das sicherstellt, dass sie hier rechtlich dafür belangt werden können, wenn sie nachweislich diese Sorgfaltspflicht vernachlässigen. Es geht nicht um ein Verbot der Produktion von T-Shirts oder Jeans - sie muss jedoch unter fairer Entlohnung und sicheren Arbeitsbedingungen geschehen, ohne dass dabei die Umwelt zerstört und das Klima weiter belastet werden. Wer argumentiert, dadurch würden wir an "Wettbewerbsfähigkeit" verlieren, entlarvt sich als kurzsichtig. Wenn wir nicht bereit sind, Konzerne für Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, weil das ihren Profit schmälern würde, kommt das einer Bankrotterklärung gleich. Unsere Zukunft liegt in robusten, kurzen, nachhaltigen, transparenten Lieferketten. Das muss sie. Denn unser Planet und die Menschen ertragen den Raubbau nicht länger. Lassen wir nicht zu, dass die Gier mancher uns alle in den Abgrund stürzt.

Die Autorinnen schreiben für das Komitee der "Initiative Lieferkettengesetz Österreich", dem 35 Personen, darunter Jean Ziegler, Helga Kromp-Kolb, Katrin Hartmann und Susanne Scholl, angehören (www.lieferkettengesetz.at).