Zum Hauptinhalt springen

Ökologische Krisenbewältigung

Von Franz Nauschnigg

Gastkommentare

Österreich kommt wirtschaftlich schlecht durch die Corona-Krise. Die Hilfsmilliarden dürften nicht sehr wirksam gewesen sein. Der Klimaschutz sollte eine größere Rolle spielen.


Von Oktober bis Dezember ist die Wirtschaft in Österreich fast achtmal so stark geschrumpft wie im EU-Schnitt. Österreich wies damit laut vorläufigen Eurostat-Daten für elf EU-Staaten unter diesen die schlechteste Performance auf. Eine Besserung ist nicht leider nicht in Sicht. Das Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) rechnet auch im laufenden Quartal mit einem weiteren BIP-Rückgang. Obwohl Österreich im dritten Quartal 2020 mit einem Wachstum von 12 Prozent gegenüber dem Vorquartal im Mittelfeld der EU-Länder lag, steht es über das Gesamtjahr 2020 gesehen sehr schlecht da. Mit einem Rückgang von 7,8 Prozent im vierten Quartal 2020 gegenüber dem vierten Quartal 2019, vor Corona, liegt es in der EU an vorletzter Stelle, vor Spanien mit minus 9,1 Prozent. Der Rückgang in den Tourismusländern Italien (6,6 Prozent), Portugal (5,9 Prozent) oder Frankreich (5 Prozent) ist wesentlich geringer, ganz zu schweigen von Deutschland (3,9 Prozent), Schweden (2,6 Prozent) oder dem EU-Besten Litauen (1,3 Prozent).

Wie Österreichs Finanzminister Gernot Blümel zuletzt von einem "geringeren Wirtschaftseinbruch", sofern man die Lage mit anderen Ländern mit starkem Tourismussektor vergleicht, sprechen konnte, ist ein Rätsel. Auch seine Bemerkung, dass "das zeigt, dass unsere Hilfsmaßnahmen gewirkt haben", ist von den Daten nicht gestützt.

Die Hilfsmilliarden der Bundesregierung dürften nicht sehr wirksam gewesen sein, wenn mit einem der größten Hilfspakete der EU-Länder in Relation zum BIP 2020 das zweitschlechteste wirtschaftliche Ergebnis der EU-Länder erzielt wird. Zur Abfederung der Corona-Krise wurden in Österreich für 2020 und 2021 Soforthilfsmaßnahmen im Umfang von 49,6 Milliarden Euro (12,5 Prozent des BIP 2019) gesetzt. Dazu kommen 11,6 Milliarden für konjunkturbelebende Maßnahmen. Der größte Posten ist die Kurzarbeit mit 13,5 Milliarden Euro, gefolgt vom Fixkostenzuschuss mit 12 Milliarden, den Cofag-Garantien und Haftungen mit 8 Milliarden, den Gemeindehilfen mit knapp 3 Milliarden und dem Härtefallfonds mit 2 Milliarden, wie eine Zusammenstellung des Wifo zeigt.

Große Konjunkturpakete

Die Bundesregierung hat die 50 Milliarden Euro aus den Hilfspaketen nicht konjunktureffektiv eingesetzt. Nur ein kleiner Teil der Mittel dient der Konjunkturankurbelung, über Investitionen. Daher entwickelt sich der heimische Arbeitsmarkt schlecht. Die krisenbedingte Arbeitslosigkeit wurde erst zu gut einem Drittel abgebaut und verfestigt sich. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat markant zugenommen.

Nach den Rettungspaketen sind nunmehr, um eine Depression beziehungsweise jahrelange Stagnation zu vermeiden, große Konjunkturpakete erforderlich. Die meisten EU-Länder ziehen große Stabilisierungs- und Konjunkturprogramme durch, Österreich leider nicht. Laut der EU-Frühjahrsprognose ist das Wachstum in Deutschland im Vorjahr mit minus 6,5 Prozent stärker eingebrochen als in Österreich (minus 5,5 Prozent). Mit der EU-Herbstprognose hat Deutschland durch Konjunkturprogramme den Einbruch 2020 auf minus 5,6 Prozent verringert. Österreich fällt wirtschaftlich zurück und verschlechtert sich auf minus 7,1 Prozent. Dies zeigt: Deutschland dämpft Rezession durch Konjunkturpakete, Österreich leider nicht. Ich habe daher schon früher für Konjunkturpakete der Bundesländer argumentiert.

Auch für die Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufond "Next Generation EU" im Umfang von 750 Milliarden Euro (davon 3 bis 4 Milliarden für Österreich) haben die meisten EU-Länder schon Programme in Brüssel eingereicht. In Österreich hat der Finanzminister eine Zusammenarbeit mit den Bundesländern, die ja im Energiebereich - in den ein wesentlicher Teil dieser Mittel fließen soll - sehr stark verankert sind, abgelehnt. Auch hier wird Österreich, wenn nicht bald ein gutes Programm präsentiert wird, zu den Nachzüglern gehören.

Im Unternehmenssektor kommt es teilweise zu Überförderungen durch den Umsatzersatz. Der Interessenvertretung der Unternehmer, der Wirtschaftskammer, die Verteilung der Hilfsgelder zu überlassen, ist inkompatibel. Sie muss die Interessen ihrer Mitglieder vertreten und nicht auf den sparsamen Einsatz von Hilfsgeldern achten - ein klarer Interessenkonflikt. Das wäre so, als würde die Gewerkschaft die Arbeitslosengelder auszahlen, dazu gibt es das AMS als staatliche Behörde.

Auch bei der AUA-Rettung gab die Regierung 150 Millionen Euro verlorenen Zuschuss für Standortgarantien. Deutschland verhandelte wesentlich besser: Es erhielt für 300 Millionen Euro eine Beteiligung von 20 Prozent an der Lufthansa. Bei der AUA haben ÖVP-Finanzminister eine Verstaatlichung der Verluste und eine Privatisierung der Gewinne betrieben.

Die Krise als Chance nutzen

Die Regierung hat sich offenbar auch nicht auf die nach dem Auslaufen der Schuldenmoratorien drohende Pleitewelle vorbereitet. Anbieten würde sich hier das Modell der GBI, die in den 1980er und 1990er Jahren als staatliches Unternehmen regional wichtige Pleitefirmen sanierte und damit tausende Arbeitsplätze ohne budgetäre Kosten rettete. Dafür ist die Regierung bei den Arbeitnehmern knausrig, die Lohnersatzquote bei Arbeitslosigkeit gehört zu den niedrigsten in vergleichbaren Ländern - obwohl die Arbeitnehmer über Steuern und Abgaben den Großteil der Corona-Lasten tragen werden.

Früher hat Österreich Krisen besser bewältigt. In den 1980ern, bei Tschernobyl oder dem Weinskandal (ich war damals in Kabinetten im Wirtschafts-, später im Landwirtschaftsministerium und in den Krisenstäben), wurden parallel zu administrativen gesundheitlichen Maßnahmen immer auch schon Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen diskutiert und beschlossen, oft in intensiven Diskussionen mit den Kollegen im Gesundheitsministerium, die natürlich die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Maßnahmen nicht so beurteilen konnten. Unter Landwirtschaftsminister Erich Schmidt wurde auch die Lehre aus dem Weinskandal gezogen, den Umbau des heimischen Weinbaus von Massen- zu Qualitätsproduktion voranzutreiben. Damals gab es viele Widerstände, heute sind alle stolz auf Österreichs Wein.

Wir sollten auch die jetzige Krise als Chance nutzen, um den Umbau des Energiesystems hin zum Klimaschutz voranzutreiben. Die Corona-Krise hat kurzfristig durch den Wirtschaftseinbruch den CO2-Ausstoß gesenkt. Mittel- und langfristig aber wird die Klimakrise verschärft, da fossile Brennstoffe, insbesondere Öl, dramatisch billiger wurden. Während die EU-Kommission einen Grünen Deal erarbeitet und den CO2-Preis im EU-Handelssystem durch Maßnahmen stabilisiert hat oder in Deutschland eine CO2-Steuer eingeführt und andere wirksame Klimamaßnahmen gesetzt wurden, ist in Österreich nicht sehr viel passiert. Praktisch alle Experten sind sich einig, dass Österreich mit den bisher von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen seine Klimaziele nicht erreichen wird. Die Sozialdemokraten in der deutschen Regierung tun mehr fürs Klima als die Grünen in der österreichischen.

Aus für Ökostrom-Abgabe

Österreich, das im EU-Vergleich sehr niedrige Treibstoffsteuern hat, sollte das Dieselprivileg (um 8,5 Cent niedrigere Steuer) abschaffen und einen Zuschlag von 10 Cent auf alle fossilen Treibstoffe und Heizöl einführen. Dieser sollte, wenn der Ölpreis wieder über 75 Euro je Barrel steigt, um 5 Cent und ab 90 Euro je Barrel um weitere 5 Cent reduziert werden. Diese Mittel sollten für den Ökostrom-Ausbau und die Förderung der Umstellung der Heizsysteme genutzt und dafür die Ökostrom-Abgabe abgeschafft werden. Diese erhöht den Strompreis und macht grünen Strom damit gegenüber fossilen Brennstoffen weniger wettbewerbsfähig - der Lkw profitiert, die Bahn wird belastet. Die Ökostrom-Abgabe erhöht auch die Ungleichheit, da Ärmere stärker belastet werden, und den CO2-Ausstoß durch mehr Lkw- und weniger Bahntransporte. Dies alles sollte sehr rasch erfolgen, noch vor einer umfassenden ökologischen Steuerreform.