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Die radikale Transformation des BVT - ein chirurgischer Eingriff

Von Nicolas Stockhammer

Gastkommentare

Ein bloßes Aufhübschen und Adaptieren wird nicht mehr ausreichen. Vielmehr ist ein veritabler Kraftakt zur kompletten Neuaufstellung des österreichischen Verfassungsschutzes notwendig.


Das Gemäuer ist mehr als brüchig. Eher kann man von einem massiven Riss im Fundament sprechen, der die Grundfesten dieses Sicherheitskonstrukts erschüttert. Die Metapher der "Schutzmauer", die Innenminister Karl Nehammer mit Bezug auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bemüht hat, verleitet zu diesem Vergleich. Seit der Veröffentlichung des Abschlussberichts der unabhängigen juridischen Expertenkommission zum Terroranschlag vom 2. November erscheint unumwunden klar: Das BVT, wie wir es kennen, ist bald Geschichte.

Ein bloßes Aufhübschen und Adaptieren wird nicht mehr ausreichen. Vielmehr wird es eines veritablen Kraftaktes bedürfen, den österreichischen Verfassungsschutz von Grund auf neu aufzustellen. Zu groß sind die aufgezeigten systemischen Defizite im Apparat, zu gravierend waren die Fehlleistungen im Vorfeld des Terroranschlags, so die Schlussfolgerung der von der Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes geleiteten Kommission. Diese reichen von einem mangelhaften Informationsmanagement über eine suboptimalen Koordination und dysfunktionale Kooperation (national wie international) bis hin zu einer fehlenden internen Revision der Prozessabläufe.

Gerade der Faktor Mensch ist bei einem Nachrichtendienst von grundlegender Bedeutung. Die Causa Jan Marsalek hat dies sehr plastisch vor Augen geführt. Der Verdacht: unerlaubte Nebenbeschäftigungen von BVT-Mitarbeitern, ein zumindest schlampiger Umgang mit sensiblen Daten und Informationen. Die Vorwürfe umfassen sogar Korruption, Geheimnisverrat und Spionage für ausländische Dienste. Derartige skandalöse Umtriebe haben die Ermittlungen rund um den flüchtigen ehemaligen Wirecard-Manager zutage gefördert. Im Fokus dieser Investigationen sind ehemalige BVT-Mitarbeiter, die ihr Insiderwissen und ihre Kontakte bemüht haben sollen. Der unrühmliche Höhepunkt der Skandalchronik des BVT war die ominöse Razzia im Februar 2018, die dazu beigetragen hat, dass das Haus am Rennweg nicht mehr aus den Schlagzeilen gekommen ist.

Eine Mammutaufgabe

Dann der Wiener Terroranschlag mit einer Serie von Pannen im Vorfeld: ein konsequentes Ignorieren von Warnsignalen, die zu spät erfolgte Verarbeitung von Informationen durch befreundete ausländische Dienste, eine über Monate verzögerte Risikobewertung; sicherlich kein Ruhmesblatt für das krisengebeutelte BVT.

Die Neukonfiguration wird eine Mammutaufgabe sein und ist mit einer Herztransplantation zu vergleichen. Denn ähnlich wie bei einem solchen chirurgischen Eingriff gilt es die Handlungsfähigkeit des Apparates aufrechtzuerhalten und dennoch gleichzeitig die wesentlichen Korrekturen vorzunehmen. Für eine umfassende Komplettrevision bedarf es zuerst der lange geforderten Trennung der Nachrichtendienst- von der Staatsschutzkomponente. In Personal und Technologie (vor allem IT-Systeme) zu investieren, erscheint unumgänglich, nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ.

Neben strengeren Aufnahme- und Rekrutierungskriterien wird die neue Fachausbildung der zukünftigen Staatsschützer eine wesentliche Rolle spielen. Diese muss, wie auch sämtliche andere Maßnahmen zur Qualitätssteigerung, an internationalen Standards orientiert sein. Außerdem muss die interne Revision nach Maßstäben der Qualitätssicherung ausgebaut und professionalisiert werden. Selbiges gilt für die parlamentarische Kontrolle.

Man muss, um beim eingangs erwähnten Vergleich zu bleiben, ein stabiles Fundament errichten. Dazu braucht es zuvorderst Expertise und Augenmaß in der Umsetzung. Der zukünftige Verfassungsschutz muss effektiv sein, also die richtigen Dinge tun, und effizient, also die Dinge richtig tun. Bisher war dies auf beiden Ebenen leider oft nicht der Fall.