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Die EZB, Bitcoin und die Finanzbildung

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Nur wer etwas weiß, kann auch gute Entscheidungen treffen.


"Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen." Dieser Tweet einer damals 17-jährigen Schülerin aus Deutschland löste 2015 kurzfristig eine Debatte aus, sogar bis in die Regierungskreise hinein. Aber die Lehrpläne unserer Kinder haben sich seither trotzdem kaum verändert, und die Finanzbildung in Österreich ist immer noch mau. Aber ist das ein Problem?

Nun kann man mit den Schultern zucken, oder aber einmal ausrechnen, was es bedeutet, wenn man über 30 Jahre hinweg jeden Monat 20 Euro für die Kinder in ein Sparschwein steckt anstatt in ETFs, also "Exchange Traded Funds" mit durchschnittlich 9 Prozent Rendite: 7.200 Euro versus 38.800 Euro. Das Prinzip des exponentiellen Wachstums schlägt in Finanzfragen genauso zu wie in einer Pandemie. Aber nur wer etwas weiß, kann auch gute Entscheidungen treffen.

Seit der Finanzkrise pflegt die Europäische Zentralbank EZB eine sehr "lockere" Geldpolitik. Sie kauft Anleihen öffentlicher und privater Schuldner an - seit März 2020 zum Beispiel im Rahmen des Pandemie-Notfallkaufprogramms -, um Staatsinsolvenzen zu verhindern und Konjunkturprogramme zu finanzieren. An den Finanzmärkten ist derweil von einer Überschussliquidität in Rekordhöhe die Rede. Investoren kaufen damit Aktien, Immobilien, Gold und Unternehmensanleihen, die Preise dieser Vermögenswerte steigen. Man nennt dieses Phänomen "Vermögenspreisinflation", und es betrifft aktuell besonders die Immobilienpreise. Die sind, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage, dramatisch hoch. Eine Analyse der Angebotspreise auf der Plattform ImmoScout24 zeigt, dass die Häuserpreise 2020 im Schnitt um kräftige 11,6 Prozent gestiegen sind. Wohnungen verteuerten sich um 7,4 Prozent und Mieten gingen um 5 Prozent nach oben. Ähnliche Entwicklungen beobachten wir an den Börsen oder bei Kryptowährungen. Inzwischen reicht ein Tweet vom Elon Musk, um Bitcoins einen kräftigen Kursanstieg zu verschaffen. Während also Staatsbudgets gerettet werden, nimmt gleichzeitig die Vermögensungleichheit zu: Großanleger vermehren ihr Kapital in einem noch nie dagewesenen Ausmaß.

Gerade jetzt käme es also darauf an, genug zu wissen, um gute Entscheidungen zu treffen. Andere Länder sind durch eine höhere allgemeine Finanzbildung und günstigere Rahmenbedingungen für Investoren besser gewappnet und ermöglichen nicht nur dem Staat, sondern auch den Bürgern Teilhabe am Zuwachs der Börsenkurse: Ein Viertel der Dänen und ein Fünftel der Schweizer besitzen Aktien. In Österreich sind es fünf Prozent. Die meisten Sparer hierzulande verarmen durch negative Realzinsen auf ihre Sparbuchguthaben. In anderen Ländern, etwa den Niederlanden oder Dänemark, freuen sich währenddessen breite Teile der Bevölkerung über eine Mehrung ihrer Vermögen, übrigens auch ihrer privaten Pensionen. Denn ihre Pensionskassen investieren in boomende Instrumente, österreichische Pensionisten hingegen sind allein von der politischen Stimmungslage abhängig - was die Frage, ob unsere mangelhafte Finanzbildung wirklich ein Problem ist, wohl auch wieder beantwortet.