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Auf die Re(chts)form kommt es an

Von Holger Blisse

Gastkommentare

Plant die Regierung, gemeinnützige Vereine zu Genossenschaften und erwerbswirtschaftliche Genossenschaften zu Kapitalgesellschaften zu entwickeln?


Der sogenannte Numerus Clausus im Gesellschaftsrecht weist darauf hin, dass Gesellschaftsformen nicht vollkommen frei - privatautonom - gestaltet werden dürfen, sondern die gesetzgeberischen Grundvorgaben zu beachten sind. Die Vorgaben finden sich in den einschlägigen Gesetzen für diejenigen Rechtsformen, die der Gesetzgeber für sehr verschiedene Ausrichtungen zur Verfügung gestellt hat.

Wer ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen gründet oder zum Beispiel als Bürgerinitiative einen gemeinsamen Rechtsträger für den Außenauftritt sucht, wählt das passende Angebot aus den geregelten Grundformen. Eigene Rechtsformen dürfen nicht geschaffen werden. Allerdings bieten die Gesetze vielfältigen Gestaltungsspielraum, der im Gesellschaftsvertrag, im Statut oder in der Satzung ausgefüllt wird. Den wohl weitesten Spielraum erlaubt die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff. ABGB), jedoch ist sie nicht selbst rechtsfähig und kann auch nicht verlassen werden, indem von ihren Gesellschaftern einfach eine andere Rechtsform gewählt wird. Daher wird sie im unternehmerischen Bereich bevorzugt für vorübergehende Kooperationen gewählt, etwa bei einem Konsortium mehrerer Beteiligter in einem Wohnungs- oder Straßenbauprojekt.

Üblicherweise sind erwerbswirtschaftliche unternehmerische beziehungsweise zur Verfolgung eines bestimmten, gemeinsamen, ideellen Zwecks (wie beim Verein) gerichtete Tätigkeiten freiwillig entstanden und auf Dauer angelegt. Schon zu Beginn wird versucht, eine mögliche Entwicklung durch die Wahl der geeigneten Rechtsform abzubilden. Doch nicht immer sind alle Eventualitäten vorhersehbar. Das Umwandlungsrecht schafft Verbindungen zwischen den Rechtsformen und Übergänge, hält aber auch Grenzen ein, was zum Beispiel die Richtung eines Rechtsformwechsels und auch die Rechtsformen insgesamt angeht, in die oder aus denen gewechselt werden darf.

So sind Vereine gemäß Vereinsgesetz 2002 selbst auf ihre Rechtsform festgelegt. Allerdings können und sollten steuerlich als gemeinnützig anerkannte Vereine einen zusätzlichen oder im Laufe der Zeit gewachsenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der ihrer steuerlichen Begünstigung schädlich wäre, auf eine geeignete Rechtsform übertragen, etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), um ihre Steuervorteile aufrechtzuerhalten. Als Gesellschafter wird man nicht die Vereinsmitglieder einsetzen, sondern den Verein selbst.

Erwerbswirtschaftlich tätig, nicht "gewinnmaximierend"

Auch andere Rechtsformen können steuerlich als gemeinnützig gestaltet werden. Eher die Ausnahme bilden gemeinnützige Aktiengesellschaften (AG) oder Genossenschaften wie die Wiener Assistenzgenossenschaft. Häufiger anzutreffen sind gemeinnützige GmbH. In der Wohnungswirtschaft finden sich sowohl zahlreiche gemeinnützige Genossenschaften (98 im Jahr 2018) als auch GmbH (77) und AG (10) unter dem Dach des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (§ 1 Abs. 1 WGG). Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 festgehalten ist, eine vereinfachte Umwandlung von Vereinen gerade in Genossenschaften zu evaluieren und zu prüfen (Seite 25).

Genossenschaften sind als Personenvereinigungen zu verstehen, "die im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen" (§ 1 Abs. 1 GenG). Sie sind also zuallererst erwerbswirtschaftlich tätig, was keineswegs gleichbedeutend mit "gewinnmaximierend" ist. Daher wäre es vorstellbar, dass die steuerliche Gemeinnützigkeit des Vereins mit der Umwandlung auf die Genossenschaft übergeht und in dieser dann sowohl gemeinnütziger Zweck als auch wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb weiterhin eine Einheit bilden.

Hinsichtlich der Vermögensrechte ergeben sich für die Mitglieder des Vereins keine Änderungen, auch in der Genossenschaft kann das Gesellschaftsvermögen dem Zugriff der Mitglieder entzogen bleiben. Interessant ist die Frage der Kapitalbeteiligung. Denn während im Verein üblicherweise ein regelmäßiger (Jahres-)Beitrag entrichtet wird, zieht der Beitritt zu einer Genossenschaft nur eine einmalige Beteiligung mit einem oder mehreren Geschäftsanteilen nach sich, durchaus mit einem Anspruch auf eine Gewinnausschüttung.

Schwächung dessozialen Charakters

Es ist noch nicht absehbar, welches Ergebnis die Evaluierung erbringen wird. Klar dürfte aber sein, dass es auch auf Seiten der Genossenschaftsverbände ein Interesse an einem solchen Umwandlungsrecht geben könnte, hatte man doch mit dem Genossenschaftsspaltungsgesetz den Weg der Genossenschaft in Richtung der Vermögensübertragung auf Kapitalgesellschaften erleichtert. Außerdem ist in der Praxis - aktuell im kreditgenossenschaftlichen Bereich, aber auch in der Landwirtschaft - zu beobachten, dass größere Einheiten für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die AG bevorzugen. Damit wird die Genossenschaft stärker zur temporären Rechtsform für eine wirtschaftliche Betätigung, deren Anwendungsbereich auch durch Zusammenschlüsse kleiner wird und durch ein Umwandlungsrecht aus dem Verein neue Genossenschaften erhalten würde.

Allerdings schwächt und verändert eine solche rechtliche Möglichkeit den ursprünglichen - sozialen - Charakter der Genossenschaft innerhalb der Wirtschaft: Gerade in der Kredit- und Landwirtschaft könnten die alten Genossenschaften einen ausgleichenden Beitrag innerhalb einer im nationalen wie internationalen Maßstab zunehmenden Markt- und Wettbewerbswirtschaft leisten, wie sie es in der Wohnungswirtschaft tun - aufgrund einer nicht den Gewinn für die Eigentümer maximierenden Ausrichtung und eingeschränkter Vermögensrechte der Mitglieder.