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Bildung für ein selbstbestimmtes Leben

Von Andrea Barschdorf-Hager

Gastkommentare
Andrea Barschdorf-Hager ist Geschäftsführerin von Care Österreich (www.care.at).
© Care

Weltweit müssen mehr als 20 Prozent der 5- bis 17-jährigen Mädchen oft unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten, statt eine Schule besuchen oder einen Beruf erlernen zu können.


Wir stellen uns täglich neuen Herausforderungen, nicht nur in Zeiten der globalen Pandemie. Doch einer der größten Herausforderungen unserer Zeit, nämlich der Geschlechtergerechtigkeit, stellen wir uns teilweise nur zögerlich, halbherzig oder als Marketingmaßnahme am Weltfrauentag. Ist es noch zeitgemäß, sich einmal im Jahr der zweiten Hälfte der menschlichen Gesellschaft zu erinnern, Missstände zu beklagen und Statistiken zu bemühen? Wäre es nicht wichtiger aus voller Überzeugung dafür zu kämpfen, dass Mädchen und Frauen global als vollwertige und gleichberechtigte Menschen anerkannt werden und ihre Talente, Fähigkeiten und Potenziale zum Wohle der jeweiligen Gesellschaft genutzt werden würden? Wenn man die oft bemühte "Wahlfreiheit", wie man sein Leben gestalten möchte, endlich akzeptierte und gelebte Realität werden würde – und zwar für Frauen und Männer?

Warum müssen wir seit Jahrhunderten nicht nur uns selbst davon überzeugen, dass wir alles – und ich meine wirklich alles – genauso gut können wie Männer, wenn wir nur dazu in der Lage sind, die eigenen, die familiären und die gesellschaftlichen Grenzen nicht nur im Einzelfall zu überwinden, sondern gesellschaftliche Strukturen konstruktiv und dauerhaft zu verändern?

Zugang zu Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben. Dennoch bleibt dieser vielen Mädchen verwehrt, eben weil sie als Mädchen auf die Welt gekommen sind. Neu angefacht wird dieses Phänomen durch die negativen sozialen Auswirkungen der globalen Pandemie. Denn es sind in erster Linie die Frauen und Mädchen, die sich um die Kinder, die Kranken und Gebrechlichen kümmern. Verstärkt durch die zahlreichen Lockdowns werden viele Kinder und ganz besonders viele Mädchen sehr lange oder vielleicht nie mehr in eine Schule zurückkehren. Aufgrund der wirtschaftlichen Krise müssen sie verstärkt zum Familieneinkommen mitbeitragen.

Derzeit arbeiten mehr als 20 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 5 und 17 Jahren in Fabriken, auf Feldern, Märkten, als Haushaltshilfen oder oft unter lebensgefährlichen Bedingungen in Minen und auf Fischerbooten, anstatt durchgehend eine Schule zu besuchen und eine Berufsausbildung zu machen.

Lassen Sie uns den Weltfrauentag zum Anlass nehmen, unser Hauptaugenmerk der Aus- und Weiterbildung von Frauen und Mädchen weltweit zu widmen. Es sollte kein Zeichen von hohem sozialen Prestige sein, wenn Frauen nicht arbeiten, da ihre Männer ohnehin genug verdienen, wie es kürzlich in einem Bericht aus Indien zu lesen war. Bezahlte Arbeit ermöglicht so viel mehr, als einfach nur versorgt zu sein. Im Idealfall ermöglicht sie ein Stück echte Unabhängigkeit um Entscheidungen zu treffen, letztendlich auch was die private Lebensform betrifft. Dass jene Länder, die die sozialen und wirtschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Mädchen forcieren, nicht nur Krisen besser bewältigen, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich erfolgreichere Gesellschaften bilden, findet oft nicht genug Beachtung.