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Nur schöne Worte bringen uns nicht weiter

Von Katharina Braun

Gastkommentare
Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien (www.rechtsanwaeltin-braun.at).
© Doris Mitterer

Es genügt nicht, immer wieder dieselben Paradefrauen vor den Vorhang zu bitten, wenn gleichzeitig berufstätigen Müttern ein schlechtes Gewissen gemacht wird und Frauen in Teilzeit auf Pensionen unter der Armutsgrenze zusteuern.


Für uns Frauen geht in Österreich hinsichtlich Gleichberechtigung nicht nur nichts weiter, sondern als auf Familienrecht spezialisierte Rechtsanwältin nehme ich sogar einen Rückfall in tradierte Rollenmuster wahr. Frauen- und Familienthemen sind pandemiebedingt vollkommen vom Radar verschwunden. Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal stellte einst fest: "Das gegenwärtige Wiedererstarken männlicher Werthaltungen und traditioneller Rollenbilder geht einher mit Xenophobie, Nationalismus, Sexismus und Sozialabbau, mit dumpfem Populismus und Provinzialismus, mit Militarismus und der Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit."

Derzeit sind in Österreich 508.923 Menschen ohne Arbeit (hiervon 71.941 Schulungsteilnehmer). Branchen mit hohem Frauenanteil, wie Gastronomie, Beherbergung und Handel, sind besonders stark von der Arbeitslosigkeit betroffen. So fällt der Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Frauen mit 47 Prozent deutlich höher als bei den Männern (42,3 Prozent) aus. Alleinerzieherinnen sind mit 15 Stunden Arbeit pro Tag die derzeit am stärksten Belasteten. Sie arbeiten mit rund 9 Stunden Haus- und Kinderbetreuung und zusätzlich 6 Stunden Erwerbstätigkeit am meisten von allen. Obwohl Alleinerzieherinnen besonders häufig in Vollzeit arbeiten, sind sie mit 42 Prozent überproportional stark von Armut und Ausgrenzung betroffen. Staatliche Einmalzahlungen sind außerstande, diese Talfahrt abzufedern.

Frauen in Führungspositionen sind in Österreich nach wie vor eine Rarität, und hier ist sogar ein Rückgang des Frauenanteils zu verzeichnen. 8 Prozent der Geschäftsführungen und 22,6 Prozent der Aufsichtsratsposten sind mit Frauen besetzt. Die Einkommen der Frauen in Österreich liegen immer noch deutlich unter jenen der Männer. Aktuell beläuft sich der "Gender Pay Gap" auf 14,3 Prozent, umgerechnet sind das 52 Kalendertage, die Frauen unbezahlt arbeiten. In Österreich besteht im europäischen Vergleich ein hohes geschlechtsspezifisches Lohngefälle zwischen Frauen und Männern. Österreich ist bei den Schlusslichtern zu finden. Relativ gering mit 4,8 Prozent fällt der "Gender Pay Gap" in Wien aus, in Vorarlberg klafft eine Lücke von 23,3 Prozent.

Immer dieselben Themen

Seit Jahrzehnten kommen bei Frauenveranstaltungen dieselben Themen vor: gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit, bundesweite Gratis-Kinderbetreuung, mehr Frauen in Positionen mit Einfluss, Unterhaltsgarantie. Doch immer noch herrscht Stillstand. In den Medien werden immer wieder dieselben Paradefrauen als Beispiele für die angeblich in Österreich erreichte Gleichberechtigung angeführt. Eine beruflich erfolgreiche Frau wird in Interviews nach wie vor gefragt, wer sich denn um ihre Kinder kümmert - ein Mann bekommt diese Frage nicht gestellt.

Hinter vorgehaltener Hand wird nach wie vor eine berufstätige Frau von der Gesellschaft als "Rabenmutter" verunglimpft: Warum hat die überhaupt Kinder bekommen? Der Begriff "Karrierefrau" hat einen negativen Touch. Viele verbinden damit Assoziationen wie verbissen, frustriert, kämpferisch, unangenehm, während ein erfolgreicher Mann ausschließlich eine positive Außenwahrnehmung erfährt.

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Viele berufstätige Frauen leiden unter schlechtem Gewissen, vermeinen ihre Familie berufsbedingt zu vernachlässigen. Ich kenne viele Frauen die ihren Beruf, wenn nicht ganz aufgegeben, so doch stark wegen der Familie reduziert haben. Es sind die Mütter, die eine schlechte Nachrede im Kindergarten oder in der Schule haben, wenn das Kind in der Nachmittagsbetreuung ist und die Jause nicht von ihnen frisch zubereitet wird. Viele Frauen vermeinen, ihr Job wäre ja ohnedies nicht so bedeutsam wie der des Mannes, weil ihr Gehalt ja komplett für die Fremdbetreuung der Kinder draufgeht, und sie entscheiden sich, daheim zu bleiben.

Lieb lächeln, abnicken

Wir Frauen werden meist dann an die Front gerufen, wenn es unbequem wird, wenn "die Kacke am Dampfen ist", wie es so schön heißt, sei es bei Kinderwindeln daheim, wenn in der Politik Koalitionen auseinanderbrechen oder wenn in der Wirtschaft ein Unternehmen in Schieflage geraten ist. Wenn die Männer nicht mehr wollen, dürfen wir Frauen ran, dann werden wir Frauen auf einmal gerne "gefördert". Läuft es dann wieder, heißt es: "Frau, konzentrier dich auf die Familie und steh zurück" - und weg ist Frau.

Gerade Frauen nehmen aus Angst, den Job ganz zu verlieren, Rechtsbrüche oder Übergriffe hin. Wer knapp am Limit lebt, hat keine Kraft zum Aufbegehren, und das wird schamlos ausgenutzt. In der Öffentlichkeit wird darüber jedoch nicht gesprochen. Veranstaltungen, auf denen unsere Tüchtigkeit gerühmt wird, brauchen wir nicht. Mit Kaffee und Kuchen hat man noch nie eine gesellschaftliche Änderung erreicht. Es braucht mutige, selbstbewusste Frauen. Vom Frauenministerium nimmt man keine relevanten Aktivitäten für Frauen wahr. Für uns Frauen gilt: lieb lächeln, abnicken.

Schluss damit! "Die Frauen haben immer nur erreicht, was sie sich selbst erkämpft haben", das wusste schon Johanna Dohnal. Familie ist nicht Frauensache, sondern geht uns als Gesellschaft alle an. Und so fragte sie zu Recht: "Was soll denn das heißen, eine Frau hat Mann und Kinder zu versorgen? Sind Männer denn hilflos und unmündig?" Es braucht endlich kostenlose bundesweite Kindergartenbetreuung. Nur so ist eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich.

Teilzeitarbeit als Armutsfalle

Es gibt für Familienbetreuung keinen finanziellen Ausgleich. Dies müssen viele Frauen bitter im Zuge einer Scheidung erfahren. Frauen fragen mich dann: "Ich habe doch aufgrund meiner Jahre, die ich der Familie gewidmet habe, viel weniger Einkommen als mein Mann, muss ich dafür nicht einen finanziellen Ausgleich erhalten?" Die ernüchternde Antwort lautet jedoch: Einen solchen Ausgleich gibt es in Österreich nicht. Viele alleinstehende Frauen sind in Österreich von Armut betroffen. In Österreich liegt die Armutsgrenze bei 1.060 Euro netto (14 Mal im Jahr) - die durchschnittliche Pension liegt mit 1.028 Euro unter dieser Grenze, wobei die Frauen in Österreich im Durchschnitt um 34 Prozent weniger Pension als die Männer erhalten.

Teilzeit ist weiblich, während die Teilzeitbeschäftigung bei Männern nach wie vor von geringer Bedeutung ist (2019: 10,7 Prozent), arbeiten 47,7 Prozent der erwerbstätigen Frauen Teilzeit. Und für die Pensionsbemessung werden seit der Pensionsreform im Jahr 2004 auch schlechte Erwerbsjahre herangezogen. Teilzeitarbeit ist eine Armutsfalle. Es bedarf daher endlich nach dem Vorbild des - bereits 2009 eingeführten - deutschen Vorsorgeausgleichs eines verpflichtenden Pensionssplittings. Mit diesem erfolgt unter Ehepartnern der Ausgleich der Pensionsgutschriften. Es müsste aber eines sein, das entgegen den jüngsten - einmal mehr nicht umgesetzten - Reformvorschlägen für die gesamte Ehedauer gilt, und zwar ohne die Option, es abzulehnen. Die Wichtigkeit eines automatischen Pensionssplittings wurde schon zigmal in politischen Reden und Publikationen angeführt, aber jedes Mal ist wieder komplett in der Versenkung verschwunden.

Zu überlegen wäre auch die Einführung eines verpflichtenden Familienkontos, auf das die Gehälter von Mann und Frau überwiesen werden müssten und von dem dann die Familienfixkosten bezahlt würden. Dann hätten beide Partner nicht nur Kenntnis über das eheliche Vermögen, sondern auch Zugriff darauf. Zudem sollte - wie in Deutschland - ein Betreuungsunterhalt für die Lebensgefährtin eingeführt werden, zum Beispiel für die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Denn die Lebensgefährtin bekommt zwar Kindesunterhalt, aber keinen finanziellen Ausgleich für den Umstand, dass sie aufgrund der Betreuung des kleinen Kindes meist stark in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt ist.

Prekäre Unterhaltsverfahren

Und es bedarf endlich einer Kindesunterhaltsgarantie: Die Voraussetzung für die Gewährung von Kindesunterhaltsvorschuss durch den Staat ist nämlich derzeit, dass ein Exekutionstitel überhaupt besteht. Die Unterhaltsverfahren können sich jedoch sehr in die Länge ziehen, und das bringt den kinderbetreuenden Elternteil, also meist die Mutter, in eine sehr prekäre Situation. Es sollte daher bereits in dieser Phase eine Kindesunterhaltssicherung im monatlichen Ausmaß des einfachen Regelbedarfs (des von der Statistik Austria festgestellten Durchschnittsbedarfs eines Kindes) geben. Auch diese Forderung wurde schon mehrfach vorgebracht, bis dato jedoch ergebnislos.

Das Kindesunterhaltsrecht gehört überhaupt reformiert. Es ist nicht nur unübersichtlich gestaltet, sondern auch nicht gerecht. Der Regelbedarf wird jährlich nur indexiert - die ihm zugrunde liegende Kinderkostenstudie stammt aus dem Jahr 1964. Der Warenkorb hat sich seither enorm verändert. Der Regelbedarfsatz für ein 14 Jahre altes Kind beträgt aktuell 402 Euro. Laut einer Referenzstudie der Schuldnerberatung ist aber der Bedarf eines 14-Jährigen mit 840 Euro mehr als doppelt so hoch.

Damit endlich etwas weitergeht, braucht es auch mehr Frauenquoten. Nach wie vor sind Frauen oft unsichtbar und verschwinden nach der Ausbildung in der Versenkung. Zum Beispiel sind in den Rechtswissenschaften (laut Zahlen aus 2016/2017) zwar 58 Prozent der Jusstudenten und 49,2 Prozent der Rechtsanwaltsanwärter weiblich, doch bei den Rechtsanwälten beträgt der Frauenanteil dann nur noch 23 Prozent, und viele davon finden sich in Beschäftigungen in Kanzleien, die mitunter Frauen schlechter entlohnen als Männer.•

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