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Die EU-Zukunftsdebatte braucht einen klaren Plan

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
© privat

Man sollte sich ergebnisorientiert auf ein paar wichtige Bereiche konzentrieren.


Die Konferenz zur Zukunft Europas geht mit Corona-bedingter Verspätung an den Start. Doch besser spät als gar nicht. Als symbolträchtiger Termin ist nun der Europatag am 9. Mai ins Auge gefasst. Von ihm soll eine europaweite Debatte ausgehen, mit dem Ziel, die EU demokratischer und fit für die nächsten Herausforderungen zu machen. Umfassende Beteiligung der Zivilgesellschaft ist dabei angesagt. Im Frühjahr 2022 sollen Schlussfolgerungen gezogen werden, die in entsprechende Leitlinien zur europäischen Zukunftsgestaltung münden, wie es in der Erklärung der Präsidenten von EU-Kommission, EU-Parlament und Rat formuliert wird.

Diesem formellen Bekenntnis sollten Details über die genaue Definition von Struktur, Mandat und Zielen der Zukunftskonferenz folgen. Denn damit die Zukunftsdebatte letztlich abhebt, braucht es volles Engagement der politischen Akteure. Keinen Feigenblatt-Aktionismus, sondern den politischen Willen, gemeinsame Reformschritte zu setzen. Die Zukunftsdebatte bietet jedenfalls eine willkommene und notwendige Gelegenheit, unterschiedliche Auffassungen, die bei Fragen der Demokratie, Legitimation und Effizienz der europäischen Entscheidungsverfahren in den vergangenen Jahren wieder in den Vordergrund gerückt sind, zu klären. Man muss sich dieser Debatte nur stellen.

Über die Schwerpunktsetzung, Ausgestaltung und bessere Funktionsweise der EU sollte intensiv - aber eben nicht nur - diskutiert werden, sondern auch der weitere Integrationsfahrplan konkret abgesteckt werden.

Sich auf einige wichtige Bereiche ergebnisorientiert zu konzentrieren, wäre ebenfalls effizienter, als zu versuchen, kein Thema auszulassen. Die Debatte sollte nicht ausufern und schließlich verwässern. Grüne und digitale Transformation, soziale Gerechtigkeit, ein "gesundes" Europa, Migration, Sicherheit, Europas Rolle in der Welt, Stärkung der demokratischen Grundlagen und Prozesse auf EU-Ebene - das sind nur einige der Punkte, die "unter anderem" zur Diskussion stehen sollten, jedoch insgesamt des Guten vielleicht doch zu viel sind.

Die Zukunftskonferenz braucht ein klares Design, einen durchdachten Ablauf und, ganz entscheidend, einen Umsetzungsplan. Ein jahrelanges Feilschen unter den Mitgliedstaaten, wie es etwa die vergangene EU-Vertragsreform deutlich verzögerte und erst recht Zweifel am Stellenwert demokratischer Mitbestimmung nährte, können wir uns heute eher nicht mehr leisten. Umso wichtiger ist es, die Debatten in den EU-Mitgliedstaaten so intensiv und inklusiv wie möglich zu führen und auch Impulsen potenzieller Beitrittsländer, nicht zuletzt im Sinne ihrer europäischen Perspektive, Raum zu geben.

Bei einem Scheitern des direktdemokratischen Ansatzes stünde die EU-Zukunftskonferenz von Beginn an auf tönernen Füßen, Enttäuschung und sinkendes Politikvertrauen wären die Folge. Die Regierungen der EU-27 sollten daher die Europa-Diskussionen in den kommenden Monaten aktiv fördern, deren Ergebnisse ernst nehmen und sie dann auch auf EU-Ebene berücksichtigen. Die Zukunftsdebatte würde von einem optimalen Start mit starker Beteiligung nur profitieren.