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Ein wichtiger Gedenktag, der ein Feiertag sein sollte

Von Michael Chalupka

Gastkommentare

Der Karfreitag ist nicht nur für Evangelische, sondern für die Gesellschaft insgesamt von Bedeutung.


Morgen ist der dritte Karfreitag, den die Evangelischen im Land nicht mehr als staatlich garantierten Feiertag begehen können. Seit dem Jahr 2019 müssen sie einen Urlaubstag nehmen. Das geht auch gegen den Willen des Arbeitgebers, allerdings muss der freie Karfreitag drei Monate vorher angemeldet werden. Diese Möglichkeit, die euphemistisch als "persönlicher Feiertag" bezeichnet wird, ist wenig attraktiv und dem Anlass nicht würdig. Die Wunde, die geschlagen wurde, schmerzt aus mehreren Gründen. Einen freien Tag mehr zu haben, zählt nicht dazu.

Zum einen war der Karfreitag als Feiertag der evangelischen Bevölkerung ein Gedenktag: gewidmet dem Gedenken des Leidens Jesu, aber auch dem Gedenken an die Verfolgungen, Deportationen, Ausweisungen und Ermordungen, die die Protestanten in Österreich während der Gegenreformation erdulden mussten, und dem Gedenken an die Verweigerung der Gleichstellung weit über die Gegenreformation hinaus. Mit der Abschaffung des Karfreitags als staatlichem Feiertag wurde ein Denkmal geschleift, ein Mahnmal des Schuldbekenntnisses und der Anerkennung einer Minderheit als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger.

Zum anderen bleibt die Art und Weise der Abschaffung in Erinnerung. Der Ton der Missachtung einer Minderheit - 96 Prozent der Bevölkerung seien ja nicht betroffen - und die Demütigung ihrer Repräsentanten hinterlassen als bitteren Beigeschmack die Frage, wie eine Regierungspartei mit Gruppen, die nicht wichtig erscheinen, umzugehen gewillt ist.

Der Karfreitag ist aber nicht nur für Evangelische, sondern für die Gesellschaft insgesamt von Bedeutung. Denn er erinnert an die Verletzlichkeit des menschlichen Lebens: Gott selbst setzt sich dem Leiden aus. Der Karfreitag warnt eindrücklich davor, die Augen vor der Unverfügbarkeit des Lebens und seiner Verletzlichkeit zu verschließen, indem er zeigt, was solches Sich-Verschließen bewirkt: Unbarmherzigkeit und weiteres Leid.

In der Corona-Krise sehen wir das in aller Schärfe. Sie macht nicht nur die Verletzlichkeit - mit jedem Masken-Aufsetzen und jedem Nachrichten-Hören - bedrängend offensichtlich, sondern auch durch eine immer stärker werdende Versuchung, die eigene Verletzlichkeit und die Verletzlichkeit anderer Menschen zu verdrängen. Angesichts dessen wäre der Karfreitag nicht nur als individueller, sondern gesellschaftlicher Feiertag höchst angemessen.

2019 kam der lauteste Einspruch gegen einen Feiertag für alle am Karfreitag vom Handel. Der muss jetzt, da uns Unverfügbarkeit und Verletzlichkeit fest im Griff haben, wochenlang schließen. Da scheint es paradox, dass die Möglichkeit, dem Nachdenken über die Verletzlichkeit des Lebens einen Tag zu widmen, an der Öffnung der Geschäfte scheiterte. Die Frage nach einem Gedenktag besonders auch für die Opfer der Corona-Pandemie stellt sich dringender denn je. Sie wird von Seiten der Politik weithin ignoriert. Denn mit dem Gedenken ist immer auch die Frage nach der eigenen Verantwortung verbunden.