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Einsames Lernen im Corona-Alltag

Von Angela Schmidt

Gastkommentare
Angela Schmidt ist Unternehmenssprecherin von LernQuadrat.
© Valeri Angelov / VogueSpot.at

Von einer "verlorenen Generation" zu sprechen, ist trotz allem blanker Unsinn.


Vier von zehn Eltern haben den Eindruck, dass sich die schulische Leistung ihrer Sprösslinge seit Beginn der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Das zeigte kürzlich eine gemeinsame Umfrage von LernQuadrat und dem Verband der Elternvereine auf. Droht uns jetzt also nach dem gesundheitlichen Drama und der Wirtschaftskrise auch noch ein Bildungsdesaster? Ist es wirklich so, dass wir von einer "Lost Generation" sprechen müssen, wenn es um das Wissensniveau unserer Kinder geht?

Daran, dass in Corona-Zeiten, gemessen an den schulischen Lehrplänen, massive Wissenslücken bei den Schülerinnen und Schülern entstanden sind, dürfte in der Tat kein Zweifel bestehen. Die Eltern sehen primär das Fehlen eines ordentlich geregelten Tagesablaufes und eines brauchbar strukturierten Unterrichts als Wurzel des Problems an. Der Lehrerschaft wird generell Bemühen attestiert, der Umgang mit der neuen Situation geht aber bei weitem nicht allen Lehrkräften leicht von der Hand, weder didaktisch noch organisatorisch.

Zugleich macht das Lernen in der Pandemie aber überdeutlich, was davor schon als Problem existierte: Lernen als detailliert geregelter, auf Effizienz getrimmter, aber oft von Freudlosigkeit überschatteter Vorgang. "Bulimie-Lernen", wie es die Pädagogen nennen: reinstopfen, wiedergeben, vergessen - anstelle von Begeisterung für den Lerninhalt.

Trostpflaster in diesem Szenario sind, oder besser waren, die persönlichen Kontakte in der Klassengemeinschaft und manchmal jene zu besonders geschätzten Lehrern. Das spielt es im Distance Learning nun nicht mehr, und die Folgen sind besorgniserregend.

Die Hälfte der Eltern hat bei ihren Söhnen und Töchtern ein deutliches Nachlassen der Lernfreude im vergangenen Jahr festgestellt, 43 Prozent sprechen von vermehrter Trägheit und mangelndem Fleiß, 30 Prozent von zornigen, verärgerten und gereizten Kindern im Corona-Lernalltag.

Nicht die technischen Probleme mit Computer und Internet und nicht die digitalen Lernmaterialien sind also das kapitale Problem, sondern was die prekäre Lernsituation mit dem Mindset unserer Jugend macht. Auch, dass eine mildere Benotung in Zeiten wie diesen von den Eltern überwiegend abgelehnt wird, charakterisiert ein wenig die entstandene allgemeine Ratlosigkeit.

Von einer "verlorenen Generation" zu sprechen, ist dennoch blanker Unsinn. Wissenslücken lassen sich früher oder später aufholen, bei Bedarf auch mit externer Unterstützung. Und was unsere Jugend jetzt an Selbstorganisation, Umgang mit neuen Tools, Flexibilität und ganz allgemein dem Fertigwerden mit schwierigen Umständen lernt, ist in Wahrheit unbezahlbar und wäre im "normalen" Schulbetrieb kaum möglich gewesen.

Natürlich verlangt diese sonderbare Zeit, in der wir leben, den Schülerinnen und Schülern eine ganze Menge ab. Ebenso den Familien, für die das Distance Learning oft eine erhebliche Belastung darstellt. Wenn wir Erwachsenen aber als Vorbilder mit Zuversicht in die Zukunft schauen, geben wir unseren Kindern auch die Kraft, das Lernen im Corona-Alltag besser zu bewältigen.