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Ein Allzeithoch, das noch kein Grund zum Jubeln ist

Von Michael Obrovsky

Gastkommentare
Michael Obrovsky ist Stellvertretender Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
© ÖFSE

In den globalen Süden ist 2020 mehr Geld geflossen - aber immer noch zu wenig.


Das Development Assistance Committe (DAC) der OECD meldet für das Jahr 2020 ein Allzeithoch der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (ODA). Mit 161,2 Milliarden US-Dollar (0,32 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) aller DAC-Mitgliedsländer) weisen die vorläufigen Zahlen um rund 10 Milliarden Dollar mehr als 2019 aus. Diese Jubelmeldung ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn die Steigerung ist sowohl im Kontext der unmittelbaren Folgen der Pandemie als auch der Auswirkungen auf die Finanzflüsse in den globalen Süden gering.

Einkommen im globalen Süden, der internationale Handel, Direktinvestitionen sowie (Rücküberweisungen von Gastarbeitern sind im Jahr 2020 laut OECD signifikant zurückgegangen. Zwar bestätigt dies, dass ODA-Finanzierungen auch in Krisenzeiten relativ stabil sind, jedoch sind die Leistungen insgesamt - angesichts der Folgen der Pandemie auf die Länder des globalen Südens - zu gering. Die gesamte öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aller DAC-Mitgliedsländer betrug im Jahr 2020 im Vergleich zu deren Unterstützungsmaßnahmen zur Überwindung der Corona-Krise in den eigenen Ländern nur rund 1 Prozent. Laut OECD-Generalsekretär Angel Gurría ist zudem das globale Impfprogramm Covax nach wie vor unterfinanziert. Die geringen Steigerungen der ODA sind dazu und für die Ausfälle beim Handel wie bei den Rücküberweisungen bei weitem kein Ausgleich.

Die Steigerungen gehen auch nur teilweise auf zusätzliche Maßnahmen für Corona-Hilfe zurück. Sie sind auch eine Folge der Modernisierung der ODA-Statistik und der Umstellung des Meldesystems von "financial flows" auf das "grant equivalent"-System. Dies ermöglicht es, auch kommerzielle Kredite, Investitionen, Garantien und Beteiligungen an Unternehmen als ODA zu melden. Das hat nicht nur eine methodisch unsaubere statistische Erhebung und Darstellung der Daten und somit auch mittelfristig den Verlust der Glaubwürdigkeit der ODA zur Folge, sondern vor allem auch eine schrittweise Verschiebung ihrer Ausrichtung von Armutsbekämpfung auf Finanzierung durch Instrumente des Privatsektors. Die Steigerung der ODA-Quote aller DAC-Mitgliedsländer von 0,30 auf 0,32 Prozent des BNE geht auch darauf zurück, dass 2020 das BNE in den meisten DAC-Ländern gesunken ist. Insgesamt sind die DAC-Mitgliedsländer damit nach wie vor weit vom selbst gesetzten Ziel entfernt. Nur sechs (Dänemark, Deutschland, Luxemburg, Norwegen, Schweden und UK) haben die ODA-Quote von 0,7 Prozent des BNE im Jahr 2020 (über)erreicht. Österreich lag 2020 - trotz Steigerungen der Humanitären Hilfe - mit nur 0,29 Prozent des BNE (2019: 0,28 Prozent) nicht nur unter dem DAC-Durchschnitt, sondern bleibt auch im EU-Vergleich abgeschlagen (EU-Durchschnitt: 0,50 Prozent des BNE).

Der OECD-Generalsekretär sieht die Pandemie als Test für den Multilateralismus und das Konzept der Entwicklungszusammenarbeit an sich. Klar ist: Die in Folge von Covid-19 wieder gestiegene globale Armut wie auch die Bekämpfung des Klimawandels und die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele benötigen in den kommenden Jahren deutlich mehr Entwicklungsfinanzierung.