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Raus aus dem Energiecharta-Vertrag!

Von Julia Herr

Gastkommentare
Julia Herr war von 2014 bis 2020 Verbandsvorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreichs und von 2016 bis 2018 Vorsitzende der Bundesjugendvertretung. Seit 2019 ist sie Nationalratsabgeordnete der SPÖ.
© Parlamentsdirektion / Photo Simonis

Echter Klimaschutz darf nicht von Konzernklagen abgewürgt werden.


Erinnern Sie sich, als Deutschland den Atomausstieg verkündete und daraufhin vom Energiekonzern Vattenfall auf Schadenersatz geklagt wurde? Oder als die Niederlande vor kurzem den Kohleausstieg verkündeten und vom Energiekonzern RWE geklagt wurden? Diese Klagen, und noch mehr als 130 weitere, beruhen auf dem Energiecharta-Vertrag. Der Vertrag wird kaum beachtet - obwohl er brandgefährlich ist.

Die menschengemachte Klimakrise ist Fakt. Ebenso der Weg heraus: Schluss mit fossilen Energieträgern und her mit den Erneuerbaren! Das stößt Konzernen, die in fossile Energien investiert haben, sauer auf, denn sie sehen ihre Profite schwinden. Eigentlich sollte uns das egal sein, denn wer ernsthaft noch in fossile Energien investiert, dem ist nicht mehr zu helfen. Doch der Energiecharta-Vertrag gibt Konzernen ein mächtiges Werkzeug: Sie können gegen Klimaschutzmaßnahmen auf Schadenersatz klagen! Dieser Irrsinn ist möglich, weil der Vertrag nicht nur vorhandene Investitionen in fossile Energien schützt, sondern auch zukünftige Gewinne (!) daraus. Den Vertrag haben 51 europäische und asiatische Länder unterzeichnet - auch Österreich.

Noch wurde Österreich nicht geklagt, doch jeder neue Schritt für mehr Klimaschutz kann das ändern. Klagen aufgrund des Energiecharta-Vertrags haben schwerwiegende Folgen: Entweder die geklagten Staaten bleiben bei ihren Klimaschutzgesetzen und riskieren Schadenersatzzahlungen in Millionen- oder gar Milliardenhöhe, womit Steuergeld im Rachen von Konzernen landet, oder sie nehmen aus Angst vor langjährigen Verfahren mit hohen Kosten und ungewissem Ausgang Gesetze zurück oder schwächen sie ab. Fälle, in denen mutige Klimaschutzmaßnahen dann doch nicht beschlossen wurden, sind keine Seltenheit mehr. Um es möglichst einfach zu formulieren: Konzerne haben mit dem Vertrag einen Weg gefunden, sich ihre privaten Profitinteressen gegenüber demokratisch gewählten Regierungen durchzusetzen.

Neuen Recherchen zufolge stoßen die durch den Vertrag geschützten fossilen Investitionen bis zum Ende ihrer Laufzeit noch rund 57 Gigatonnen CO2aus. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die gesamte EU noch ausstoßen darf, wenn sie sich an das 1,5-Grad-Ziel halten möchte. Damit steht der Energiecharta-Vertrag eindeutig im Konflikt mit dem Pariser Klimaabkommen.

Seit 2020 verhandeln die Mitglieder des Vertrags über dessen Überarbeitung, wobei der Investitionsschutz grundsätzlich weiter bestehen und lediglich für fossile Energien nicht mehr gelten soll. Doch selbst dafür müssten sich alle 51 Länder des Vertrags gemeinsam einig werden. Solch ein Verhandlungsergebnis ist derzeit nicht nur unrealistisch, weil viele Mitgliedsländer blockieren, der Prozess wird sich auch noch Jahre in die Länge ziehen und so als Feigenblatt für fehlende Klimaambitionen herhalten. Zeit, die wir schlicht nicht haben. Der Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag ist der einzig richtige Weg.

Wie das geht, zeigt Italien, das bereits 2016 aus dem Vertrag ausgetreten ist. Andere Bereiche des Vertrags, beispielsweise zum Energiehandel, sind längst von anderen Abkommen abgedeckt. Ein Ausstieg ändert also nichts, außer für Konzerne, die dann nicht länger durch die Hintertür gegen demokratisch getroffene Entscheidungen klagen können. Es ist absurd, dass wir ernsthaft darüber diskutieren, was schützenswerter ist: unser Planet oder zukünftige Gewinne eines Kohlekonzerns. Diskutieren wir nicht länger und treten aus diesem Knebelvertrag aus! Kämpfen wir für internationale Handels- und Investitionsverträge, die nicht dem schnellen Profit einiger weniger dienen, sondern das Wohlergehen aller Menschen und der Umwelt ins Zentrum stellen!