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K wie Erholung

Von Wolfgang Fickus

Gastkommentare

Während es für die einen Unternehmen nach der Krise abwärts gehen könnte, zeigt für andere der Trend steil nach oben.


Nach einem höchst ungewöhnlichen Anlagejahr 2020 dürfte sich auch 2021 ungewöhnlich gestalten. In der Anlegergemeinde ist ein zyklischer Optimismus zu verspüren, der durch die Einführung von Corona-Impfstoffen ausgelöst und die Erwartung weiterer Lockerungen genährt wurde. So war zu erwarten, dass die Menschen nun, da die Geschäfte, Restaurants und Theater wieder öffnen und in der Annahme einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen, wieder in die Realwirtschaft strömen und das genießen, was sie schon immer gerne getan haben: einkaufen, essen gehen, Kinos und Theater besuchen, reisen. Der kurzfristige Wiedereinstieg in die Realwirtschaft könnte daher sehr steil sein, weil die Verbraucher so lange abgeschnitten waren und es einen regelrechten Konsumstau gibt.

Längerfristig betrachtet ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die kommenden Jahre eine typische zyklische Erholung mit Mean-Reversion-Charakter bringen werden. Im Gegenteil ist es sehr wahrscheinlich, dass die Erholung so untypisch sein wird wie die Gründe für ihren Ausbruch, nämlich die Pandemie, und dass diese Erholung die Form eines "K" mit zwei auseinanderlaufenden Entwicklungen annehmen dürfte: Während einige Wachstumsunternehmen zu neuen Horizonten aufbrechen, kämpfen andere, die mit strukturellen Problemen belastet sind, gegen den Niedergang. Auf welchem Arm des "K" sich ein Unternehmen wiederfindet, wird maßgeblich davon bestimmt, ob es in die technologische Transformation investiert.

Automobilsektor und Banken könnten unter Druck geraten

Der obere "K"-Arm wird bestimmt durch Trends, die durch die Pandemie bereits weit vorangetrieben worden sind: etwa internetbezogene Aktivitäten und die ihnen zugrunde liegende Technologieplattform, die Cloud, oder auch das Bestreben, auf ökologische Herausforderungen zu reagieren, alimentiert durch ein großes europäisches Investitionsbudget. Diese Trends könnten auch nach der Pandemie noch Rückenwind verspüren, da sich die Gewohnheiten geändert und die Menschen etwa die Bequemlichkeit des Arbeitens und Konsumierens von zu Hause aus entdeckt haben.

Auf dem unteren "K"-Arm könnten einige Branchen langfristig sogar vor größeren strukturellen Herausforderungen stehen als zuvor: etwa der Automobilsektor, der sich bereits mitten in der technologischen Disruption der Ablösung des Verbrennungsmotors von der E-Mobilität befindet, sowie des rasant steigenden Software-Anteils, der das Auto intelligenter machen soll. Oder Europas Banken, die sich mit strenger Regulierung, einem feindlichen Zinsumfeld und konkurrierenden Fintechs konfrontiert sehen, die mit Unterstützung einer gut kapitalisierten Private-Equity-Branche Zug um Zug Marktanteile in den weniger regulierten und profitableren Bereichen der elektronischen Zahlungsdienste erobern.

Die Pandemie hat zu einer erheblichen Veränderung beim Verbraucherverhalten geführt, die sich auch in den Unternehmensstrategien niederschlägt. Die Entwicklung des E-Commerce ist dafür ein anschauliches Beispiel: L’Oreal brauchte drei Jahre, um den Anteil seines E-Commerce-Geschäfts am Gesamtumsatz von 8 Prozent (2017) auf 16 Prozent (2019) zu steigern - in den vier Monaten von Februar bis März 2020 wurde dann dieser Wert auf 34 Prozent glatt verdoppelt. Nach Einschätzung von Morgan Stanley hat sich die E-Commerce-Akzeptanz der Verbraucher im Pandemiejahr 2020 um das Doppelte des langjährigen Mittels erhöht. Zugleich erzeugt die wachsende Digitalwirtschaft neue technologische Erfordernisse. So benötigen Online-Kundenkanäle neue Funktionalitäten wie Apps und Chatbots sowie neue Arten des Lieferkettenmanagements.

Für Anleger wird es darauf ankommen, am oberen Arm des "K" zu investieren, sei es in IT- und Online-Anbieter oder auch in Real-Economy-Unternehmen wie L’Oreal oder Fast Retailing, die frühzeitig und umfangreich in die Digitalisierung investiert haben. Demgegenüber wird das zweite Standbein für eine langfristig erfolgreiche Aktienauswahl sein, strukturell herausgeforderte Unternehmen und Sektoren auf dem unteren Arm des "K" zu meiden, die Gefahr laufen, weiter zurückzufallen.

Skalierbare Infrastrukturrund um den Globus

Die Cloud ist ein guter Gradmesser für die zu erwartende Wachstumsdynamik entlang des oberen "K"-Arms, des langfristigen Digitalisierungstrends der Wirtschaft. Sie ist die IT-Infrastruktur für die Zukunft. Man kann sich die Cloud als eine Art Stromnetz für die digitale Wirtschaft vorstellen. Finanziell und technologisch starke Cloud-Unternehmen wie Amazon, Microsoft, SAP, Alibaba oder Tencent investieren in eine skalierbare Infrastruktur, die es anderen Unternehmen rund um den Globus - vom Großunternehmen bis hin zum Lebensmittelladen um die Ecke - ermöglicht, diese anzuzapfen, wann sie wollen und wofür sie es brauchen, und zwar per Knopfdruck auf die Internettaste, um ihr Geschäft zu digitalisieren. Unternehmen wie Accenture, Intuit, OBIC, Adyen oder GMO Payment, die digitale Dienste anbieten, sind ebenfalls am oberen Arm des "K" positioniert.

Es gibt weitere Unternehmen, die gut positioniert und für künftige Erfordernisse gewappnet sind. Beispielhaft zu nennen wären hier Unternehmen der Realwirtschaft und etablierte Marken, die als starke Renditequelle für unsere Portfolios weder ihre Attraktivität während der Pandemie verloren haben noch strukturell herausgefordert sind. Es gibt Dinge, die sich einfach nicht ändern, wie der Wunsch nach Schönheit und Mode, auf denen Unternehmen wie Inditex, Uniqlo oder L’Oréal langfristige Geschäftsstrategien aufbauen können. Wenn sie obendrein die Chancen des Internets nutzen, über einen starken Burggraben verfügen und in der Lage sind, Marktanteile zu gewinnen, sehen wir sie ebenfalls am oberen Arm des "K" fest positioniert.

Eine Langfassung dieses Textes mit ausführlichen Grafiken finden Sie hier.