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Syriens Frauen waren schon vor der Pandemie im Lockdown

Von Ihlas Altinci

Gastkommentare

Gewalt, Zwangsehen und ungewollte Schwangerschaften: Corona reißt sie noch tiefer in die Krise.


Mehr Gewalt, mehr Trauma, mehr Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt: So zerstörerisch hat sich die Corona-Krise auf Frauen und Mädchen im Nordwesten Syriens ausgewirkt. Die Gesundheit von Müttern und Kindern hat sich verschlechtert. Als Ärztin beschäftige ich mich mit der Lage von Frauen in Syrien. Die überlasteten Gesundheitseinrichtungen müssen sich dort jetzt vor allem mit Covid-19 befassen. Insgesamt gibt es in der Region aber auch zu wenig ärztliches und pflegerisches Personal. Viele Krankenhäuser in Syrien sind nur noch Ruinen oder schwer beschädigt. Schwangere wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Untersuchungen in der Schwangerschaft, die in Österreich Standard und sogar im Mutter-Kind-Pass vorgeschrieben sind, finden in Syrien häufig gar nicht statt.

Dazu kommt, dass viele Frauen von den langen Jahren des Krieges ausgezehrt, geschwächt und unterernährt sind. Vielen fehlt es an ausreichenden oder nährstoffreichen Mahlzeiten. Das bringt ein zusätzliches Risiko bei einer Schwangerschaft mit sich. Wir sehen einen Anstieg bei Frühgeburten und Fehlgeburten. Neugeborene haben inzwischen öfter ein geringes Geburtsgewicht.

Die Pandemie hat in Syrien eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst, die Mädchen und Frauen besonders hart trifft. Viele Familien verheiraten ihre Töchter aus finanziellen Gründen nun sehr jung und oft gegen deren Willen. Viele dieser Mädchen erleben dann ungewollte Schwangerschaften, unsichere Abtreibungen und Missbrauch. Frühe Ehen und Teenager-Schwangerschaften sind häufiger geworden. Für Frauen und Mädchen in Syrien hat der Lockdown schon lange vor Corona begonnen. Viele durften auch zuvor das Haus nicht alleine verlassen - nicht einmal, um medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit Covid-19 hat aber die häusliche Gewalt - körperlich, sexuell und emotional - noch einmal zugenommen.

"Diese Krise soll enden!"

Werden Frauen im Nordwesten Syriens gefragt, was sie dringend brauchen, sagen sie mir: "Diese Krise soll enden!" Sie wünschen sich aber auch Zugang zu medizinischer Hilfe für sich und ihre Kinder, Möglichkeiten zur Verhütung und Familienplanung und finanzielle Unterstützung, damit sie besser für ihre Familien sorgen können. Mütter hätten auch gerne Dokumente für ihre neugeborenen Kinder. Denn derzeit ist es in der Region schwierig, Geburten bei den Behörden registrieren zu lassen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie es den Frauen und Mädchen in Syrien geht. Als Mutter von vier Kindern bin ich 2013 mit meiner Familie aus Syrien in die Türkei geflüchtet. Psychologische Hilfe und Trainings gegen Gewalt gegen Frauen wären auch wichtig. Im Nordwesten Syriens fehlt es aber selbst an einfachen Hygiene-Artikeln wie Binden.