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Digitale Identität für Afrika

Von Friedbert Ottacher

Gastkommentare
Friedbert Ottacher ist seit mehr als 20 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Er ist als Programmkoordinator für Uganda und Äthiopien sowie freiberuflich als Trainer, Universitätslektor, Key Note Speaker und Autor tätig (www.ottacher.at). Seit 2017 beschäftigt er sich mit der Blockchain-Technologie und deren Potenzial zur Lösung von Problemen im globalen Süden.
© privat

Zukunftstechnologie erobert den Zukunftskontinent.


Seit dem Erfolgslauf von Bitcoin und zuletzt Ethereum (ungeachtet jüngster Rückgänge) sind Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie in aller Munde. Doch deren Reduktion auf Bitcoin greift zu kurz. Im Schatten von Bitcoin haben sich technisch ausgereiftere Kryptowährungen entwickelt, deren revolutionäres Potenzial jetzt sichtbar wird.

Die Entwickler eines der bedeutendsten sogenannten Altcoins, Cardano, haben nun gemeinsam mit Äthiopiens Bildungsminister die weltweit größte praktische Anwendung der Blockchain-Technologie verkündet: In Äthiopien werden fünf Millionen Schüler der Abschlussklassen sowie alle Studenten mit digitalen Identitätsnachweisen ausgestattet. Ihre IDs werden auf der Cardano-Blockchain dezentral gespeichert und dokumentieren Noten und Abschlüsse. Auf der digitalen ID sollen in weiterer Folge auch Landbesitz, Kreditwürdigkeit und Wahlregistrierung sicher und unveränderbar gespeichert sein.

In der westlichen Welt ist unsere Identität - und damit der Zugang zu öffentlichen und privaten Leistungen - im Reisepass, auf der E-Card oder der Kreditkarte festgehalten. Ganz anders in den Entwicklungsländern - dort darf sich schon glücklich schätzen, wer eine Geburtsurkunde sein Eigen nennt. Daher rollt Cardano seine Praxisanwendungen nicht in den technisch saturierten Ländern aus, sondern dort, wo der Nutzen und damit die Wirkung der Innovation am größten ist.

Dass gerade Äthiopien als Pionierland fungiert, hat aber noch andere Gründe: Premier Abiy Ahmed hat Kryptographie studiert und Digitalisierung zu einem zentralen Ziel im staatlichen Entwicklungsplan erklärt. Die Bevölkerung ist jung und bereit für Innovation, wie sich auch in der Verbreitung von mobilem Geld in Ostafrika zeigt. Für Cardano-Gründer Charles Hoskinson ist das erst der Anfang. Der studierte Mathematiker ist trotz seiner erst 34 Jahre ein Urgestein der Kryptoszene, hat die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum mitgegründet und ist überzeugt, dass die Blockchain-Technologie ähnlich disruptiv ist wie einst Internet und Smartphone.

Die Anwendungsgebiete sind groß: Die globalen Rücküberweisungen der Diaspora an ihre Familien über insgesamt rund 415 Milliarden Euro pro Jahr sollen spesenfrei über Kryptowährungen getätigt werden. Kredite sollen über dezentrale, Blockchain-basierte Applikationen mit geringen Zinsen "peer to peer" verliehen werden. Bedenkt man, dass heute Rücküberweisungen, die meist mit Kleinbeträgen unter 200 Euro getätigt werden, mit 5 bis 10 Prozent Spesen zu Buche schlagen und Bankkredite für den Großteil der Bevölkerung Afrikas nicht zugänglich oder unerschwinglich sind, lässt sich das Potenzial von Blockchain-Anwendungen auf diesem Zukunftskontinent erahnen. Dafür braucht es aber erfolgreiche Anwendungsfälle, Skalierbarkeit und Netzwerkeffekte. All das erhofft man sich von dem Pionierprojekt in Äthiopien.

Dass Kryptowährungen von Investoren nicht mehr belächelt, sondern zunehmend ernst genommen werden, zeigen ihre Preisentwicklung und Markkapitalisierung. Cardano liegt aktuell auf Platz fünf unter den Kryptowährungen, hat seit Jahresbeginn um 750 Prozent zugelegt und mittlerweile eine Marktkapitalisierung von 48 Milliarden Euro, Tendenz steigend.