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Das Mega-Projekt "einheitlicher Leistungskatalog"

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Manches dauert in Österreich, bis es kommt. Aber es kommt. Vielleicht. Oder eher nicht.


In all dem Trubel um Korruption und den assoziierten Ablenkungsmanövern ist sie beliebt: die Pressekonferenz, in der etwas angekündigt, ja eine ausgedruckte Variante des Angekündigten sogar in die Höhe gehalten wird, von dem dann aber niemand Genaueres weiß. Und das macht auch die Ärztekammer, die quasi aus dem Nichts heraus die Beendigung eines "Mega-Projektes" verkündet. Auf 150 Seiten soll die jahrelange Arbeit von 200 Experten zusammengefasst worden sein. Der Inhalt: der seit langem in der Diskussion stehende "einheitliche Leistungskatalog" - allerdings nur für Kassenärzte.

Um das einzuordnen, muss man gesundheitspolitischer Archäologe sein.

Es liegt jetzt ein Vierteljahrhundert zurück, dass wir der EU beigetreten sind. Damals musste, zwecks Verschleierung der Spitalsfinanzen, die Finanzierung völlig reformiert werden. Im Rahmen dieser Reform, der Einführung der "Leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung" (LKF), wurde auch die Ambulanzfinanzierung reformiert. Ohne auf Details einzugehen, war schon damals klar, dass man, will man kein (noch größeres) Problem mit der ambulanten Versorgung erzeugen, alle (!) Leistungserbringer gemeinsam betrachten und steuern muss. Wenn nicht, wird dieser Bereich (noch stärker) in Subsysteme zerfallen, die sich gegenseitig abschotten. Deshalb wurde bereits 1996 festgelegt: "Im ambulanten Bereich ist spätestens ab 1. Juli 2001 in Modellversuchen eine geeignete Diagnosen- und Leistungsdokumentation zu erproben. (...) für die Leistungsdokumentation ist ein praxisorientierter, leicht administrierbarer Leistungskatalog anzuwenden."

Passiert ist das aber alles nicht - bis heute. Spannend ist, dass es so um 2003 ein Projekt auf Bundesebene gab, das diesen Katalog endlich entwerfen sollte, weil Ärztekammern und Spitalsträger nicht in die Gänge kamen. Das wurde natürlich boykottiert. Und um das eigene Subsystem zu erhalten - also die hoheitliche Verhandlung über Leistungen und Honorare -, hat das höchste Gremium der Ärztekammer, der Ärztekammertag, im Jahr 2005 (oder war es 2004?) beschlossen, die Entwicklung dieses Kataloges an sich zu ziehen. Auf diese 16 oder 17 Jahre muss sich also die Aussage des jahrelangen "Mega-Projekts" beziehen. Man stelle sich vor, was für Leistungen das sein müssen, für die man eineinhalb Jahrzehnte braucht, um sie zu definieren. Gewaltige - und sicher topmodern. Immerhin ist der medizinische Fortschritt ja nur gering (Achtung, Sarkasmus!).

Realiter ist es ohnehin anders. Denn der 150 Seiten dicke Katalog ist, wie man hört, eine Überschriftensammlung auf Basis der Honorarordnung der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. Dieser BVA-Katalog war immer schon der ausführlichste und der mit den höchsten Honoraren. Praktikabel ist er genauso wenig wie alle anderen. Er ist der Wunschtraum der Ärztekammerfunktionäre, die sich nächstes Jahr Wahlen stellen und so in Position bringen. Denn wie nicht anders zu erwarten, haben bereits alle Landesärztekammern in der ÖGK gemeldet, dass sie eigenständig verhandeln wollen. Der "einheitliche Katalog" ist also so weit weg wie eh und je - und wird niemals kommen.