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Wie aus "Ibiza"-U-Ausschuss ÖVP-Sittenbild wurde

Von Herbert Kickl

Gastkommentare

Nicht der Täter ist der Böse, sondern der, der dessen Taten öffentlich macht.


Wenn man sich die Schlagzeilen der heimischen Medien in jüngster Zeit anschaut, könnte man meinen, die (vermeintlich zerrissenen) Interna der FPÖ seien den Innenpolitik-Redaktionen erheblich wichtiger als die (tatsächlichen) Vorgänge im Dunstkreis der Bundesregierung, insbesondere der ÖVP. Doch die Leser dürften vielmehr daran interessiert sein, was sie wirklich betrifft, etwa die zunehmende Lähmung der türkisen Kanzlerpartei durch peinliche Gerichtsermittlungen.

Wo etwa bleibt der mediale Aufschrei zur vorsätzlichen Verzögerung der Arbeit des in wenigen Wochen endenden "Ibiza"-U-Ausschusses durch Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel? Wie bekannt wurde, lagerten die angeforderten zigtausenden Schriftstücke bereits seit Monaten versandbereit im Finanzministerium. Dennoch wartete man erst die drohende Exekution durch den Bundespräsidenten ab, anstatt dem VfGH-Auftrag gleich Folge zu leisten.

Überhaupt ist das Verhältnis der ÖVP zur Justiz sehr gespannt, suggerieren doch Kurz & Co. dieser - speziell der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) - regelmäßig, sie würde "politisch motiviert" gegen die arme ÖVP und deren Akteure ermitteln. Dabei gilt die Justiz seit vielen Jahren als von der ÖVP massiv durchsetzt. Diese "schwarzen Fäden" ziehen sich bis zu Spitzenbeamten wie dem Sektionschef Christian Pilnacek, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Christian Fuchs, oder dem vor wenigen Tagen unter Druck zurückgetretenen Verfassungsrichter und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Allein die jüngst publik gewordenen Chat-Nachrichten zwischen dem suspendierten Pilnacek und Brandstetter lassen erahnen, welche schwarzen Süppchen da intern gekocht werden. Da heißt es etwa, der VfGH und dessen farbige Vizepräsidentin sollten besser "nach Kuba exportiert" werden, die WKStA wäre "missraten", die grüne Justizministerin Alma Zadic eine "Urschel" und deren Aussagen in einem "Zeit im Bild"-Interview wären "selten gesehene Feigheit, gepaart mit Dummheit" (Zadic hat bis jetzt nicht darauf reagiert).

Mit Brandstetter zieht der erste von zahlreichen ÖVPlern, die von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt werden, persönliche Konsequenzen. Mit Kanzler Kurz, Finanzminister Blümel, Sicherheitssprecher Karl Mahrer, Ex-Finanzminister Hartwig Löger, Ex-Vizekanzler Josef Pröll, Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger, Ex-Vize-ÖVP-Parteivorsitzende Bettina Glatz-Kremsner (Generaldirektorin der Casinos AG) und zuletzt auch ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sind weitere schwarze Kaliber im Fadenkreuz der Justiz (für sie alle gilt die Unschuldsvermutung).

Nachdem durchgesickert war, dass die Neos die entsprechenden Chat-Protokolle aus dem U-Ausschuss an Medien weitergeleitet hatten, reagierte die ÖVP wie üblich: Die Neos würden Verschlussakte einfach so freigeben und damit gegen Gesetze und Datenschutz verstoßen. Nicht der Täter ist der Böse, sondern der, der dessen Taten öffentlich macht. Dabei hat der U-Ausschuss mit "Ibiza" längst kaum noch zu tun, sondern nur noch mit ÖVP-Akteuren.

Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.