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Was soll das mit dem "digitalen Euro"?

Von Nikolaus Jilch

Gastkommentare
Nikolaus Jilch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Agenda Austria. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Geldpolitik, Finanzmärkte, Geldanlage, Gold und Kryptowährungen.
© Agenda Austria

Die EZB steht unter Zugzwang gegenüber China und den Kryptowährungen.


Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Euro "digital" machen. Das verwirrt viele. Ist das Geld nicht längst digital? Selbst die Bargeld-affinen Österreicher sind in der Pandemie verstärkt auf Karte und Smartphone umgestiegen. Immer öfter heißt es: "Bankomat bitte!" Aber vor dem Gesetz ist nicht alles Geld gleich. Jenes auf dem Konto ist eigentlich eine Schuld der Bank an ihre Kunden. Opfer der Commerzialbank Mattersburg wissen das. Der breiten Masse ist es aber unbekannt. Das System läuft, wie es ist. Für Banken, Kunden und Händler. Was soll das also mit dem "digitalen Euro"?

Die Wahrheit ist: Die EZB steht unter Zugzwang. China bastelt schon lange an einem "digitalen Yuan", den das Reich der Mitte zum Exportschlager machen will. In Südamerika hat mit El Salvador gerade erstmals ein Land Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Und im Fahrwasser der Kryptowährung entsteht gerade ein ganz neuer Sektor, der von "Stablecoins" bevölkert wird, die fast immer an den US-Dollar gebunden sind. All dem will Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, etwas entgegensetzen. Den "digitalen Euro" eben.

Dieser soll das Bargeld im digitalen Raum ersetzen und dabei sicherstellen, dass der Zahlungsverkehr in Europa nicht von privaten Firmen, Bitcoin oder ausländischen Notenbanken übernommen wird.

Im Grunde ist die EZB sogar verpflichtet, eine Geldinfrastruktur für den digitalen Raum zu schaffen. So wie sie verpflichtet ist, Europa mit realen Geldscheinen zu versorgen. Aber da beginnen die Probleme. Wer soll dann Zugriff auf diesen E-Euro haben? Jeder Europäer? Jeder, der in Europa lebt? Jeder Mensch weltweit? Und wie wird die Nutzung gestaltet? Startet die EZB ihre eigene Blockchain, auf der man dann eine digitale Börse eröffnen kann? Reicht ein Server in Frankfurt am Main?

Wie ist das mit dem Datenschutz und der Privatsphäre? In China ist das digitale Geld eng verwoben mit dem Überwachungsstaat. Das kann Europa nicht wollen.

Bitcoin ist das andere Extrem: Es ist zwar nicht gänzlich anonym, sehr wohl aber entsprechend gestaltet, um die Privatsphäre der Nutzer maximal zu schützen. Die EZB wird einen Mittelweg finden müssen, den die Europäer ihr abnehmen - und sie wird irgendwie garantieren müssen, dass sie die Regeln nicht im Nachhinein ändert. Schwierig für eine Notenbank, die schon bisher sehr flexibel mit ihren Vorgaben umgeht.

Und: Wenn ich ein Konto bei der EZB habe, wozu genau brauche ich dann noch jenes bei meiner Hausbank? Die Notenbank kann nicht pleitegehen, einen besseren Ort für sein Geld kann man sich kaum vorstellen. Überlegt werden Obergrenzen für die EZB-Konten, 3.000 Euro etwa. Aber das ist völlige Willkür und stößt schon jetzt auf Widerstand. Auch die zweite Idee, die Verrechnung von Minuszinsen, wird das Vertrauen in die digitale Währung kaum stärken. Eher führt es dazu, dass etwa die Deutschen endgültig die Heugabeln auspacken und nach Frankfurt ziehen. Man möchte nicht in der Haut der europäischen Geldplaner am Main stecken. Die Digitalisierung wird sie überrollen. Und viele Antworten stehen noch aus.