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Eine EU-Region zwischen Gleichklang und Widerspruch

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik und Koordinator des EU-Projekts "WB2EU" (www.wb2eu.eu).
© ÖGfE

Wie stehen die Bevölkerungen Mittel- und Osteuropas zur Demokratie?


Eines haben die zehn mittel- und osteuropäischen Länder, die im Rahmen einer vergleichenden Studie des slowakischen Think Tanks Globsec untersucht wurden, gemeinsam: Die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft ist hoch, so auch in Österreich. Dasselbe gilt grundsätzlich für die Bindung an die Nato, wobei sich hierzulande nur ein Viertel für einen Beitritt aussprechen würde. In anderen Fragen zeigt sich die Region ambivalent. Fast 50 Prozent der Bevölkerungen betrachten ihr Land weder als Teil des Westens noch des Ostens, sondern sehen es "irgendwo dazwischen". Dies trifft auch auf die Österreicher zu, die sich auch mehrheitlich wünschen, dass sich die EU bei einem Konflikt zwischen den USA und China neutral verhalten sollte.

Für Österreichs Bevölkerung bleibt unser Nachbar Deutschland mit Abstand der wichtigste strategische Partner. In beinahe allen anderen Befragungsländern ist dies ebenso der Fall, eine Ausnahme bilden Rumänien und Polen, wo die USA an der Spitze liegen. Der zweite zentrale Treiber der EU-Integration, Frankreich, kann hingegen kaum punkten. In Österreich wird Frankreich noch von einem Drittel unter die wichtigsten Partner gereiht, in Ungarn sind es gerade einmal 5 Prozent. Großbritannien ist nahezu völlig vom Radar verschwunden und nur für rund jeden Zehnten in der Region relevant.

Die großen Player der Weltpolitik werden durchaus unterschiedlich beurteilt: US-Präsident Joe Biden erfährt hohe Zustimmung, während in Bulgarien und der Slowakei Wladimir Putin an der Spitze liegt und Chinas starker Mann Xi Jinping generell noch ein großer Unbekannter ist. Unangefochten an erster Stelle liegt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel - sechs von zehn Befragten sehen sie positiv, während EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in manchen Ländern noch mit ihrem Bekanntheitsgrad kämpfen muss.

95 Prozent stimmen in Österreich der Aussage zu, dass "die Demokratie als ein System, das auf Gleichheit, Menschenrechten und Freiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit basiert, gut für mein Land ist", der Zehn-Länder-Durchschnitt liegt um 10 Prozentpunkte niedriger. 96 Prozent sprechen sich hierzulande für eine liberale Demokratie aus. Die niedrigeren Werte in den weiteren neun Befragungsländern deuten darauf hin, dass die politische Diskussion diesen Begriff teils diskreditiert hat. So wird die liberale Demokratie nur von der Hälfte der Litauer befürwortet, in Ungarn, der Slowakei und Estland sind es etwa 60 Prozent. Höhere Zustimmung (rund 75 Prozent) findet sich am ehesten in Tschechien, Lettland und Rumänien. Bemerkenswert ist dabei, dass in Rumänien (30 Prozent) und Bulgarien (25 Prozent) das chinesische Politikmodell von einem nicht geringen Anteil als Inspiration für das eigene Land eingeschätzt wird.

Allein diese Ergebnisse machen deutlich, vor welchen Herausforderungen die Weiterentwicklung der europäischen Integration steht. Krisen, externe Einflüsse und manch fragliches Demokratieverständnis im Inneren stellen den Zusammenhalt in der EU und in den liberalen Gesellschaften auf die Probe. Nach der akuten Bekämpfung von Corona muss diesen Aspekten vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Im Rahmen der Globsec Trends 2021 wurden im heurigen Frühjahr je 1.000 Personen in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn befragt. Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) war als österreichischer Partner am Projekt beteiligt.