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Ein Bekenntnis zu einem arbeitsteiligen Bankensystem

Von Holger Blisse

Gastkommentare

Was die Rückkehr von Raiffeisen zu einer eigenen Einlagensicherung bedeutet.


Vor ihrer Neuordnung spiegelten die Einlagensicherungssysteme in Österreich die fünf Bankensektoren wider und unterstrichen dabei die unterschiedliche Ausrichtung der Institute jedes Bankensektors. Dies hat sich auch in eigenen Fachverbänden bei der Wirtschaftskammer Österreich erhalten: Die vor allem kapitalgesellschaftlich verfassten 37 Aktienbanken und Bankiers, oft sogar börsennotiert, sind auf die Erwirtschaftung eines Gewinns für ihre Eigentümer ausgerichtet. Die 49 Sparkassen arbeiten vor allem gemeinwohlorientiert, und die acht Landeshypothekenbanken sind durch einen besonderen Schwerpunkt in der langfristigen Finanzierung im Wohnbau und gegenüber öffentlichen Instituten gekennzeichnet. Die als Genossenschaften organisierten 354 Raiffeisenbanken und 9 Volksbanken sollen ihre Eigentümer (Mitglieder) durch "gute und günstige" Leistungen fördern (Zahlen: OeNB, Stand: 1. Quartal 2021).

Die Institute aller Bankensektoren stehen - in unterschiedlicher Intensität - allen Privat- und Firmenkunden, aber auch Gebietskörperschaften offen. So erschien der dann auch verwirklichte Plan einer gemeinsamen Einlagensicherung - wie er auch auf EU-Ebene diskutiert wird - aufgrund ähnlich gelagerter Risiken nachvollziehbar. Alle Institute - bis auf die Sparkassen - bildeten zusammen zum 1. Jänner 2019 die Einlagensicherung Austria GmbH.

Tatsächlich, wie zwei aktuelle Beispiele aus dem Kreis der Aktienbanken hierzulande, aber auch Probleme bei der Einlagensicherung der privaten Banken in Deutschland bestätigen, unterscheiden sich die Institute der Bankengruppen nicht nur in ihrer betriebswirtschaftlichen Größe, sondern weisen aufgrund ihres Einzugsbereichs, ihrer Kundenstruktur und ihrer durch die Rechtsform gekennzeichneten Ausrichtung und Einbindung in Gruppen- beziehungsweise Verbund- und Prüfungsstrukturen sehr unterschiedliche Risikoprofile auf.

Daher ist die Entscheidung des Raiffeisen-Sektors, sich wieder auf eine eigene Einlagensicherung zurückzuziehen, nachvollziehbar. Auch von den Volksbanken wurde dieser Wunsch geäußert, sie gelten aber voraussichtlich als eher zu klein für eine eigene Einlagensicherung.

Raiffeisen und die Commerzialbank Mattersburg

Der Sicherungsfall der Commerzialbank Mattersburg führt in gewisser Weise aber auch zu Raiffeisen zurück, handelte es sich doch bei diesem Institut um eine 1995 umgegründete Raiffeisenbank. Es wäre sicher zu weit gefasst, von einer Hinterlassenschaft zu sprechen, zumal die in der Folge der Umgründung nach Paragraf 92 Bankwesengesetz erhalten gebliebene Eigentümergenossenschaft ebenso wenig wie die Commerzialbank Mattersburg selbst durch einen Raiffeisen- oder einen anderen Genossenschaftsverband geprüft worden sind.

Mit einer eigenen Einlagensicherung unterstreicht der Raiffeisen-Sektor nun die arbeitsteilige Struktur des heimischen Bankensystems und seiner Bankensektoren. Auf der Sicherheit der Einlagen gründet, als sozialer Beitrag vieler Sparerinnen und Sparer für die Kreditvergabe, das Vertrauen in die Stabilität von Kreditinstituten, wie es in der Finanzmarktkrise von staatlicher Seite bekräftigt werden musste.

Durch die Digitalisierung, aber auch das Null- beziehungsweise Negativzinsumfeld hat sich die Stellung von Kreditinstituten verändert. Doch gerade in der Corona-Zeit haben Banken und Sparkassen unter Beweis gestellt, wie wichtig Alternativen zum Kapitalmarkt - nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Kunde-Bank(berater)-Beziehung - weiterhin sind. Gleichwohl begünstigt das Zinsniveau kapitalmarktorientierte Beteiligungsangebote an Kunden als Alternative zu Spareinlagen. Dies schwächt die Kreditfinanzierung als Kernangebot von Banken beziehungsweise wird die Position externer Eigenkapitalgeber (Investoren) auch bei kleineren und mittleren Unternehmen gestärkt.

Demzufolge ist indirekt eine differenziertere Einlagensicherung auch ein Beitrag, die Rolle der Finanzierung mit Krediten zu stärken, wie sie das europäische System eher kennzeichnet, als es im angloamerikanischen Raum üblich ist. Doch mit der Banken- und Kapitalmarktunion wird versucht, dieses Modell auch in Europa zu etablieren. Damit könnten die Kreditinstitute ebenso geschwächt werden wie durch die Annäherung der Bankensektoren, die immer mehr in einen Vergleichswettbewerb geraten sind, gefördert durch eine allgemeine Ertragsorientierung.

Dies passt gut zur immer wieder vertretenen These, dass Markt und Wettbewerb zu Konzentration und Vereinheitlichung tendieren. Doch in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig viele - alternative - Lösungen sind. Daher ist die Entscheidung der Raiffeisenbanken auch im Hinblick auf weiterhin viele unterschiedlich ausgerichtete Kreditinstitute ein deutliches Bekenntnis zugunsten verschiedener Rechtsformen und Eigentümerstrukturen und erhält als Alternative zum Kapitalmarkt ein arbeitsteiliges - weniger wettbewerbsintensives und damit risikobewussteres - Bankensystem.