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Erst die Arbeitsmarkt-, dann die Inflationsdebatte

Von Peter De Coensel

Gastkommentare

Es gibt eine Verschiebung von güterbezogenen hin zu Dienstleistungsjobs.


Eine wachsende Zahl von Marktteilnehmern ist sich allmählich darüber einig, dass der Inflationsschub in den USA nur vorübergehend ist. Dies bedeutet, dass wir anderen sensiblen Indikatoren Aufmerksamkeit schenken sollten, etwa der Erholung des Arbeitsmarktes. Die Debatte sollte sich deshalb auf die Art der Erholung am US-Arbeitsmarkt und ihre Auswirkungen auf die US-Renditen verlagern.

Die Erholung des US-Arbeitsmarktes nach der großen Finanzkrise hat sehr lange gedauert, die Arbeitslosenquote fiel erst 2016 unter 5 Prozent. Während diesmal einige Jobverluste bereits wieder kompensiert wurden, haben die jüngsten beiden "Non-farm Payroll"-Veröffentlichungen enttäuscht. In den USA gibt es immer noch etwa 7 Millionen Arbeitsplätze weniger als Ende 2019. Aus vergangenen Rezessionen wissen wir, dass drei Punkte beachtet werden müssen, wenn Arbeitgeber mit einem Umfeld hoher Arbeitslosigkeit konfrontiert sind:

Erstens haben Unternehmen größere Schwierigkeiten bei der Auswahl neu einzustellender Mitarbeiter.

Zweitens steigt die Mitarbeiterrotation in Sektoren, die weniger von der Pandemie betroffen sind oder sogar davon profitieren, was zu längeren Vorlaufzeiten bei der Suche nach geeignetem personellem Ersatz führt.

Drittens steigt die Kreditvergabe der Banken aufgrund der anhaltenden Unsicherheit nur langsam, und das zu einem Zeitpunkt, an dem einige Branchen ihre Aktivitäten ausweiten wollen.

Die ersten beiden Punkte beziehen sich auf die Diskrepanz zwischen den Qualifikationen, die derzeit in den Gewinner- und den Verliererbranchen auftreten. Die am stärksten betroffenen Sektoren (Freizeit und Gastgewerbe, Einzelhandel, Unterhaltung und andere) könnten außerdem einen höheren Anteil an dauerhaften Jobverlusten verzeichnen. Die Struktur des Arbeitsmarktes hat sich mehr in Richtung dienstleistungsbezogener Arbeitsplätze als in Richtung güterbezogener Arbeitsplätze verschoben. Wir müssen möglicherweise einen längeren Zeitraum einplanen, um die Lücke in der Erwerbsbevölkerung in qualitativer Hinsicht und mit entsprechend angemessener Bezahlung zu schließen.

Die Teilnehmer am Markt für US-Staatsanleihen sind sich dessen bewusst. Das Schließen der Beschäftigungslücke im Jahr 2026 würde der US-Notenbank weniger Spielraum für eine Straffung ihrer Geldpolitik lassen. Die Fähigkeit, eine Normalisierung des Arbeitsmarktes zu erreichen, wird die Normalisierung der Notenbankpolitik vorantreiben. Die Fed hat der Vollbeschäftigung im Rahmen ihres Notenbankmandats Priorität eingeräumt. Stetiges Wachstum wird durch die Zusammenarbeit mit dem US-Schatzamt erreicht, das ein noch zu beschließendes Fiskalpaket ausrollen wird. Inflation wird zur Restgröße.

Der vor uns liegende Zinserhöhungszyklus in den USA könnte sich "nur" auf 1,5 oder 2,0 Prozent erstrecken. In jenem Moment, in dem der Markt thematisch von Inflation auf Arbeitsmarkterholung umschaltet, könnten wir in eine Spanne von 1,25 bis 1,50 Prozent für die zehnjährigen US-Renditen eintreten.