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Ein EU-Meilenstein oder ein Etikettenschwindel?

Von Karin Küblböck

Gastkommentare
Karin Küblböck ist Senior Researcher an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
© Markus Zahradnik / www.markuszahradnik.com

Ein Lieferkettengesetz der EU bietet jetzt die Chance für wirksame und umfassende Regelungen.


In die Diskussion um die gesetzliche Regelung menschen- und umweltrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen ist Dynamik gekommen. Nationale Vorstöße wie etwa das deutsche Lieferkettengesetz und bisherige Verhandlungen auf UN-Ebene bleiben aber hinter den Erwartungen zurück. Ein EU-Lieferkettengesetz bietet jetzt die Chance für wirksame und umfassende Regelungen.

Die globale Produktion hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gewandelt. Für transnationale Unternehmen wurde es attraktiv, arbeitsintensive und umweltschädliche Tätigkeiten in Länder des globalen Südens mit niedrigen Sozial- und Umweltstandards zu verlagern. Berichte über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Elektronikproduktion, eingestürzte Textilfabriken, sklavenähnliche Zustände in der Landwirtschaft oder Umweltzerstörungen durch Dammbrüche bei Rückhaltebecken für Minenschlamm bezeugen, dass die notwendigen Regulierungen den Veränderungen der globalen Produktion weit hinterherhinken.

2011 wurden menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen erstmals auf UN-Ebene verankert. Bisher bleiben diese jedoch freiwillig und damit ein Ausdruck der globalen Machtasymmetrien zugunsten transnationaler Unternehmen.

Zehn Jahre - und viel Evidenz - später führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht. Aber auch das in Deutschland kürzlich verabschiedete Lieferkettengesetz greift zu kurz. Insbesondere sieht es keine zivilrechtliche Haftungsregel vor, Betroffene können dadurch keine Entschädigungen einklagen. In Österreich fordert eine Petition diverser Organisationen Regeln für gerechtere Lieferketten, und im März haben SPÖ-Abgeordnete einen dahingehenden Antrag im Nationalrat vorgelegt.

Neben nationalen Gesetzen sind letztlich globale verbindliche Vorgaben notwendig.

Bei den Verhandlungen für ein verbindliches Abkommen auf UN-Ebene behindern Staaten des globalen Nordens de facto aber seit Jahren substanzielle Fortschritte. Daher wird die EU-Ebene nun besonders wichtig. Im März hat das EU-Parlament eine alle Stufen der Lieferkette umfassende Regelung einschließlich zivilrechtlicher Haftung der Unternehmen gefordert. Die EU-Kommission hat für Juni 2021 einen Gesetzesentwurf angekündigt - dann aber auf Herbst vertagt.

Die intensivierten Debatten sind ein implizites Eingeständnis, dass eine globalisierte Wirtschaft globale Regeln für Unternehmen benötigt. Die jüngeren Entwicklungen sind vielversprechend, aber es braucht weitreichendere Maßnahmen gegen die dahinterliegenden Grundproblematiken, wie Machtasymmetrien, zu niedrige Löhne und die starke Abhängigkeit des globalen Südens vom Export unverarbeiteter Rohstoffe. Umfassende Lieferkettengesetze in Österreich und Europa wären dennoch wichtige Meilensteine. Transparente Lieferketten und einklagbare menschenrechtliche und ökologische Verpflichtungen für Unternehmen sind Voraussetzungen für verbesserte globale Produktionsbedingungen.

Eine Langfassung des Kommentars finden sie hier.