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Ein sachtes Ende der ultralockeren Geldpolitik

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien bei der Steiermärkischen Sparkasse.
© Steiermärkische Sparkasse / Thomas Raggam

Die Mehrheit der stimmberechtigten Fed-Mitglieder erwartet in absehbarer Zeit steigende Zinsen.


Die vergangenen Tage brachten entscheidende Signale für die Zukunft der Zinspolitik und somit für die Finanzmärkte insgesamt. Angesichts der US-Wachstumsprognosen von mehr als 7 Prozent sowie des deutlichen Anstiegs der Inflation auf rund 5 Prozent ließ die US-Notenbank Fed erkennen, dass es zu einer Kehrtwende bei den Leitzinsen kommen könnte. Beim jüngsten Meeting des Federal Open Market Committees (FOMC), dem entscheidenden Gremium für die US-Geldpolitik, wurde klar, dass die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder ein Zinsniveau erwartet, das in absehbarer Zeit steigen wird. Die USA dürften eine überaus sachte Vorgangsweise wählen, um die Märkte nicht zu überfordern.

Tatsächlich waren diese von der Ankündigung des FOMC nicht sehr überrascht. Die Zinsen der zehnjährigen Staatsanleihen reagierten über den Wochenverlauf kaum, nur die kürzer- und mittelfristigen Renditen zogen deutlich an. Somit wurde die gesamte Zinskurve erheblich flacher. Der US-Dollar machte gegenüber dem Euro einen kräftigen Sprung nach oben. Der Goldpreis und die Aktienmärkte gaben auf breiter Front nach.

Bis vor kurzem war eine Zinserhöhung vom bisherigen Nullniveau erst für 2024 vorgesehen gewesen. Jetzt sehen jedoch 13 von 18 FOMC-Mitgliedern sogar zwei Zinsschritte von je 0,25 Prozent schon im Jahr 2023, sieben Mitglieder gehen bereits für 2022 von einer Erhöhung aus. Und dies, obwohl die neuen Schätzungen der Fed-Volkswirte zwar heuer ein starkes Anziehen bei Wachstum und Inflation sehen, aber für die nächsten zwei Jahre ein moderates Wachstum (2022: plus 3,3 Prozent; 2023: plus 2,4 Prozent) prognostizieren. Dies muss aber nicht als Widerspruch interpretiert werden: Die kaum wahrnehmbare Reaktion der Zehnjahreszinsen auf die hohe Inflation könnte in der Meinung der Fed ein Zeichen sein, dass sich die Märkte an die Idee gewöhnt haben, die Fed würde auch bei Erreichen oder gar Überschreiten ihres Inflationsziels nicht mehr zwingend mit einer Straffung der Geldpolitik antworten. Das wurde in der Strategieumstellung von Jackson Hole im August 2020 kommuniziert, als Fed-Chef Jerome Powell einen veränderten Umgang der Notenbank mit dem Begriff des Inflationsziels ankündigte. Demnach gilt zwar weiter das Inflationsziel von 2 Prozent, allerdings nicht mehr als Zielwert, der mit allen Mitteln erreicht werden muss, sondern als Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum.

Über allem steht die Aussicht auf ein behutsames Ende einer außergewöhnlichen Geldpolitik. Auch beim zweiten wichtigen Fed-Thema - den Quantitative-Easing-Anleihekäufen - blieb Powell zurückhaltend. Er deutete an, grundsätzlich spreche man langsam über das Tapering, also ein graduelles Abschmelzen der Anleihekäufe. Heftige Marktbewegungen wie zuletzt 2013 sollen so wohl vermieden werden. In den Aktienkursen ist das Tapering wohl schon eingepreist. Wir gehen für 2022 von weiterhin negativen Realzinsen aus. Aktien bleiben daher - angepasst an das persönliche Risikoprofil - weiterhin ein unverzichtbarer Baustein im Vermögensportfolio.