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Die Zukunft der Anleihenmärkte

Von Peter De Coensel

Gastkommentare

Selbst die pessimistischsten Marktteilnehmer sollten auf eine Weltwirtschaft hoffen, die nicht mehr von Corona-bedingten Beschränkungen und Restriktionen betroffen ist.


Wie im Film "Zurück in die Zukunft" schauen auch Anleiheninvestoren sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft, um sich zu orientieren. Blicken wir also nach vorne in Richtung Dezember 2023, so finden wir eine Welt vor, die in das von den Zentralbanken rund um den Globus gewünschte Bild passt. Möglicherweise beginnt der Markt, die Allmacht der Zentralbanken auf den Staats- und Unternehmensanleihen- sowie Devisenmärkten zu akzeptieren und einzupreisen. Während die Realwirtschaft aktuell nun wieder Öffnungen erlebt, stehen die Finanzmärkte kurz davor, eine höhere Kontrolle zu erhalten - Kontrolle nicht nur durch die Zentralbanken, sondern auch durch die ihnen nahestehenden Regierungen.

Die Staats- und Unternehmensanleihenmärkte haben im April einen Konsolidierungspfad eingeschlagen. Das Schicksal von Unternehmensanleihen liegt dabei in den Händen der Staatsanleihenmärkte. Kredit-Spreads treffen auf Goldlöckchen-Bedingungen. Das Wachstum erholt sich, die Ankaufprogramme der Zentralbanken laufen auf Hochtouren, während die meisten Regierungen ihre Unterstützung beziehungsweise Garantien für die am stärksten betroffenen Sektoren aufrechterhalten oder erhöhen. Der Grund für diese Konsolidierung liegt in der Einsicht der Finanzwelt, dass es sich bei dieser Pandemie um eine äußerst komplexe, globale Gesundheitskrise handelt.

Vor dem Hintergrund eines steigenden gleitenden Sieben-Tage-Durchschnitts der weltweiten Infektionen lässt die Begeisterung an den Finanzmärkten nach. Es ist das zunehmende Bewusstsein des "Wir sind noch nicht am Ziel - im Gegenteil!", das sich auf den Staatsanleihenmärkten niederzuschlagen beginnt. Da die kurzfristige Besorgnis steigt, scheint dies ein guter Zeitpunkt zu sein, sich die Bewertungen bis Dezember 2023 anzusehen. Selbst die pessimistischsten Marktteilnehmer sollten auf eine Weltwirtschaft hoffen, die nicht mehr von Corona-bedingten Beschränkungen und Restriktionen betroffen ist.

EZB lässt sich bei Leitzinsen nicht von Fed inspirieren

Schauen wir zunächst auf den US-Leitzins. Am 23. April schlossen die 90-Tage-Euro/Dollar-Futures für Dezember 2023 bei 98,96. Per Ende 2023 hat der Markt drei Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed zwischen 0,75 und 1,00 Prozent vollständig eingepreist. Konsens besteht darüber, dass die US-Notenbank Anfang 2022 mit der Drosselung ihres Asset-Kaufprogramms beginnen wird. Eine Reduzierung um 10 Milliarden Dollar pro Monat würde das aktuelle Programm in zwölf Monaten auslaufen lassen.

Tatsächlich preist der Markt bis zum Frühjahr 2023 zu 100 Prozent einen Fed-Satz von 0,25 bis 0,50 Prozent ein, der den Ausstieg einleitet. Die Übersicht der Euro/Dollar-Futures-Kontrakte informiert uns darüber, dass sich die Fed offenbar für einen langwierigen politischen Normalisierungszyklus entschieden hat und die Zinssätze im Laufe des Jahres 2023 dreimal anheben wird.

Es würde effektiv weitere zwei Jahre dauern, um die Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent zu erreichen. Leitzinsanhebungen durch die EZB würden etwa ein Jahr nach der Anhebung durch die Fed erfolgen. Dies ist noch nicht eingepreist. Die Europäische Zentralbank hat bereits durchblicken lassen, sich nicht von der US-Notenbank inspirieren zu lassen.

Der Forward-Satz für die zehnjährige US-Staatsanleihe per Dezember 2023 liegt bei 2,25 Prozent. Dieser Wert deckt sich mit den geordneten Zinsanpassungen, die die Fed anstrebt. Der Satz für die zehnjährige US-Staatsanleihe per Dezember 2025 liegt bei 2,55 Prozent - zu diesem Zeitpunkt sollte ein Leitzins von knapp unter 2,00 Prozent ein Überschießen der Inflationserwartungen eingedämmt haben, mit der Folge, dass die zehnjährigen Realrenditen im positiven Bereich liegen.

Ein Szenario, in dem die aktuellen Zehn-Jahres-Inflationserwartungen bei 2,35 Prozent liegen, würde zu einem Plus von 0,20 Prozent bei den Zehn-Jahres-US-Realsätzen führen. Die deutsche zehnjährige Bundesanleihe wird den Erwartungen zufolge im Dezember 2023 bei plus 0,10 Prozent notieren. Ein solches Ergebnis würde die globalen Anleihenmärkte von ihrem Standpunkt "Es gibt keine Alternative" abbringen. Per Ende 2025 sieht der Markt zehnjährige Bundesanleihen bei plus 0,31 Prozent. Dies würde den deutschen Referenzzinssatz in den Bereich von plus 0,25 bis 0,50 Prozent bringen, wie er zwischen 2015 und 2018 zu beobachten war.

Dollar als Zufluchtswährung in "Risk-off"-Phasen

An den Währungsmärkten definieren die oben genannten Zinspfade das Niveau der Terminkurse. Der Euro/Dollar-Wechselkurs legte am 23. April, dem bereits erwähnten Stichtag für die Futures für Dezember 2023, in Richtung 1,2097 zu. Im US-Handel lag das Währungspaar deutlich über seinem gleitenden 100-Tage-Durchschnitt von 1,2056. Die Euro/Dollar-Forwards per Ende Dezember 2023 werden aktuell bei 1,2425 gehandelt sowie per Dezember 2025 bei 1,2865.

Diese Niveaus werden sich durchsetzen, wenn die Zinsdifferenzen zwischen Europa und den USA den Zinsterminkursen von heute entsprechen. Der Dollar genießt viele weitere Diversifikationsvorteile innerhalb der Portfolio-Konstruktion. Zusammen mit Schweizer Franken und japanischem Yen bleibt er in "Risk-off"-Phasen die bevorzugte Zufluchtswährung.