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Militärische Kooperationen unter einem DACH

Von Gunther Hauser

Gastkommentare
IT-Experten aus drei Nationen üben gemeinsam den Ernstfall.
© Bundesheer / Maniecka

Wie Österreich, Deutschland und die Schweiz bei der Landesverteidigung zusammenarbeiten.


Militärische Kooperationen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz als DACH-Länderforum - abgeleitet von den Landeskennzeichen der drei Länder: D für Deutschland, A für Österreich (Austria) und CH für die Schweiz (Confoederatio Helvetica) - wurden bereits in den 2000er Jahren eingeleitet. Es handelt sich dabei vor allem um Kooperationsprozesse dreier Staaten mit jeweils unterschiedlichen Sicherheits- und Verteidigungskonzeptionen.

Alle drei Länder begannen ab den 1990er Jahren, also mit dem Entstehen einer europäischen Sicherheitsarchitektur mit den Kooperationsmechanismen Nato-Partnerschaft für den Frieden und Gemeinsame (Europäische) Sicherheits- und Verteidigungspolitik (1999 bis 2009: ESVP; ab 2009: GSVP) verstärkt zu kooperieren, mit dem Ziel, die Interoperabilität und Streitkräftestandards auf der Grundlage militärischer Richtlinien kontinuierlich zu verbessern. Aus der 2005 gegründeten Trilateralen Vorschriftenkooperation DACH unter der Leitung Österreichs entwickelte sich zunächst eine strukturierte Zusammenarbeit der jeweils für Dienstvorschriftenwesen zuständigen Dienststellen der Streitkräfte.

Die Idee für eine derartige Kooperation entstand nach mehreren Kontakten einerseits zwischen Österreich und der Schweiz (seit 2001) und andererseits mit Deutschland (seit 2004) sowie nach Einholung der Zustimmung auf der Ebene der Generalstabschefs aus den drei Ländern. Zu Beginn des DACH-Prozesses wurden zunächst die jeweiligen nationalen Erfahrungen evaluiert und eine Zusammenarbeit in der digitalen Bereitstellung von Dienstvorschriften vorerst aufgebaut. Mit Blick auf die Interoperabilität von Streitkräften bei internationalen Einsätzen wurden die nationalen Regelungen verstärkt aufeinander abgestimmt und in der Folge standardisiert. Jeweils bilaterale Kooperationen wurden fortgesetzt, innerhalb der Nato-Partnerschaft für den Frieden beteiligen sich alle drei Staaten ebenso an unterschiedlichen Übungen - von der Luftraumüberwachung bis zur Bekämpfung von Cyberangriffen.

Auf Führungsebene existiert zwischen den DACH-Ländern unter dem ursprünglichen Namen "Alpendreieck" ein regelmäßiger Austausch zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr, dem Chef des Generalstabs des Bundesheeres sowie dem Chef der Schweizer Armee. Zudem finden Gespräche zwischen dem Kommandanten der Höheren Kaderausbildung der Schweizer Armee, dem Kommandeur der Führungsakademie der deutschen Bundeswehr sowie dem Kommandanten der Landesverteidigungsakademie des österreichischen Bundsheers in Hinblick auf die Koordination der Offiziersausbildung statt.

Rund 280 Kooperationenpro Jahr mit der Schweiz

Was die Schweiz und Österreich verbindet, ist grundsätzlich die Neutralität, die in beiden Ländern gemäß Verfassung das Fundament der Verteidigungspolitik bildet. Verteidigungspolitisch hat sich zwischen beiden Ländern die Kooperation intensiviert. Beide Heere absolvieren im Schnitt etwa 280 Kooperationen pro Jahr, von der Taktik-Simulatorenausbildung über Offiziers- und Unteroffiziersausbildungsprogramme bis zum "Luftpolizei-" beziehungsweise "Nacheile"-Abkommen aus dem Jahr 2017. Die "Nacheile" gestattet den Piloten, ein Luftfahrzeug über die Staatsgrenze hinaus in das Land eines Vertragspartners hinein zu verfolgen, zu identifizieren und mit diesem in Funkkontakt zu treten.

Der Einsatz von Waffen im Gebiet des jeweils anderen States ist jedoch ausdrücklich verboten. Mit Deutschland arbeitet Österreich bei der Einsatzausbildung sowie seit 2017 im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) innerhalb der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) in unterschiedlichen Projekten zusammen. Mitte Februar 2021 einigten sich auch Deutschland und Österreich auf ein "Nacheile"- Abkommen.

Seit 2018 führen die DACH-Länder in der Folge einmal pro Jahr Betriebsführungsübungen durch, die "Common Roof". Derartige Übungen haben zum Ziel, Prozesse und Abläufe beim Betrieb eines multinationalen IT-Netzes (bestehend aus E-Mails, Chats, Telefonie, militärischen Führungsinformationssystemen) weiterzuentwickeln, anzuwenden und zu betätigen. Die "Common Roof"-Übungen verbinden zivile mit militärischen Szenarien, reine militärische Szenarien sind seitens der Schweiz aus neutralitätsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.

Gemeinsame Übung zumSchutz vor Cyberangriffen

Im Herbst 2019 fand erstmals unter österreichischer Führung in der Schwarzenberg-Kaserne bei Salzburg und auch zeitgleich in Bern und Dillingen die "Common Roof" zum Schutz vor Cyberangriffen statt. Diese Übung simulierte eine multinationale Konferenz im Bodenseegebiet, hier vor allem, wie im Ernstfall über ein gemeinsames Netzwerk die Kommunikation zwischen den drei DACH-Ländern störungsfrei garantiert werden kann. Das Szenario bei der "Common Roof" beinhaltet, dass die Konferenzorte in allen drei DACH-Ländern liegen und die Streitkräfte die Sicherung der Konferenz übernehmen.

Es gilt dabei, die Informationstechnologie länderübergreifend zu verbinden, um einen sicheren gemeinsamen Datenaustausch zu gewährleisten. Die drei Streitkräfte werden dabei in die Lage versetzt, Informationen untereinander auszutauschen, sodass jede über das gleiche Lagebild verfügt. Lagebild heißt in diesem Zusammenhang, zu wissen, wo sich die Soldatinnen und Soldaten der einzelnen Einsatzorganisationen beziehungsweise an welchem Ort sich Fahrzeuge befinden. Die Netzwerke - beispielsweise Computer oder Telefone - sollen einerseits autonom funktionieren, andererseits in Abstimmung unter den Übungsnationen.

Austausch von Informationenin Grenzgebieten

Für die Partnernationen stellt der Austausch von Informationen in Grenzgebieten eine große Relevanz dar - hier gilt es, unterschiedliche Technologien zu koordinieren und zu verbinden. Daher wurde auf multinationaler Ebene ein sicherer Zusammenschluss derartiger militärischer Netzwerke unter dem Begriff "Federated Mission Networking" (FMN) etabliert, der wiederum auch bei der Übung "Common Roof 19" getestet wurde. Die "Common Roof"-Übungen stehen alle ganz im Zeichen und Vorhaben, ein multinationales militärisches Führungsnetzwerk zu betreiben und in der Folge Cyberbedrohungen von außen abzuwehren. An der "Common Roof 19" beteiligten sich insgesamt 200 Soldaten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Sowohl die Verbindung zu anderen Ländern im Auslandseinsatz als auch der effiziente Informationsaustausch zwischen Truppenteilen erweist sich aufgrund der sich oft rasch ändernden Lage in Krisengebieten für Soldatinnen und Soldaten als überlebenswichtig. "Live"-Lagedarstellungen über gemeinsame militärische Führungsnetze dienen somit der gezielten Gefahrenabwehr.

Ziel: Erhöhung der Auslandseinsatzfähigkeit

Besonders auch in der Cybersicherheit besteht seitens der drei DACH-Länder die Überzeugung, dass die Kooperationen nicht nur fortgesetzt, sondern auch dem neuen Cyber-Umfeld angepasst werden müssen. Alle drei Länder beteiligen sich zudem über den DACH-Prozess hinaus an unterschiedlichen Übungen - von der Luftraumüberwachung bis zur Bekämpfung von Cyberangriffen. Das Spektrum der Kooperationen der Armeen von Bundesheer, Bundeswehr und Schweizer Armee umfasst mittlerweile sämtliche Bereiche der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Internationale Vernetzungen und Koordinationen im Krisenmanagement stellen eine wesentliche Aufgabe des Bundesheeres dar mit dem Ziel, die Auslandseinsatzfähigkeit der österreichischen Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen. Auslandseinsätze bleiben somit für das Bundesheer weiterhin von großer Relevanz, gerade in einer Zeit, wo auch die Truppe aufgewertet werden soll.